Märchen am Strand

Thorsten Schoen ist Hobby-Beachvolleyballer. Bei der WM kam er mit Partner Marvin Polte dennoch auf Rang vier

BERLIN taz ■ Wie schnell sich die Dinge ändern können im Leben, durfte der Strandvolleyballer Thorsten Schoen am Samstag erleben. Eigentlich wollte er da seinen 33. Geburtstag feiern, zu Hause und in aller Ruhe im Kreise seiner Liebsten. Doch daraus wurde nichts, ein ziemlich unvorhersehbarer Termin kam dem Mann aus Nordhorn dazwischen: Zusammen mit seinem Partner Marvin Polte hatte er sich fürs Viertelfinale der Beachvolleyball-WM in Berlin qualifiziert. Statt Grillen auf dem Balkon stand also Baggern auf dem Centre Court an – und noch bevor Schoen/Polte auch aus diesem Spiel eine große Sause machen konnten, sangen die rund 8.000 Zuschauer auf den Rängen ein fröhliches „Happy Birthday“.

Es ist dann ein wirklich sehr glücklicher Geburtstag geworden für Thorsten Schoen – und aus den Auftritten mit Partner Polte endgültig die große Sensation bei dieser WM. Im Prinzip hat sich da wirklich ein Märchen zugetragen auf dem Berliner Schlossplatz, das sich in etwa so erzählen lässt: Es waren einmal zwei ziemlich unbekannte Beachvolleyballer, die bei der WM im eigenen Land nur mitpritschen durften, weil gleich vier andere Paare ausgefallen waren. Die beiden Beachvolleyballer waren also genau genommen der Ersatz vom Ersatz vom Ersatz vom Ersatz – und dann spielten sie und schlugen erst die Olympiasieger von Sydney, dann die Weltranglisten-Zwölften aus Australien, schließlich die Weltrangliste-Fünften aus der Schweiz und am Geburtstag auch noch die Kubaner Alvarez/Ramirez Bernal. Plötzlich stand der Ersatz vom Ersatz vom Ersatz vom Ersatz also im Halbfinale der WM – und obwohl sie das verloren und anschließend auch im Tie-Break das Spiel um Platz drei gegen die ebenfalls deutsche Paarung Julius Brink und Kjell Schneider, die sich damit Bronze sicherten, ist es ein sehr schönes Märchen, vor allem aber eines, das tatsächlich stattgefunden hat. Und wer weiß schon, wie alles gekommen wäre, wenn Schoen sich nicht schon im Halbfinale eine Zerrung im Oberschenkel zugezogen hätte. Schoen selbst jedenfalls sagte: „Ich bin nicht enttäuscht, dass wir verloren haben. Aber ich bin ein bisschen enttäuscht, dass wir so verloren haben.“ Und damit so knapp vorbeigeschrammt sind an der Medaille.

Ein kleines Wunder haben die beiden dennoch vollbracht, vor allem wenn man bedenkt, dass Schoen gar kein richtiger Beachvolleyballer ist, zumindest kein professioneller, sondern Angestellter der Sparkasse Nordhorn, der nebenher und ganze dreimal pro Woche trainiert. „Ich bin der einzige Nichtprofi im Feld“, hat Schoen schon nach dem ersten Sieg verraten – und der Sportinformationsdienst hat daraus die hübsche Schlagzeile „Hobbyspieler schlägt Olympiasieger“ gestrickt. Um weiter im Turnier mitspielen zu können, musste Schoen dann erst beim Chef nachfragen, ob der ihm den Urlaub verlängert.

Der Chef hat – und Schoen mit Partner Marvin Polte wirklich das Beste daraus gemacht, nicht nur wegen der 26.000 Dollar Preisgeld, die die beiden nun für Platz vier einstreichen. „Ich weiß noch immer nicht, was da passiert ist“, sagt Schoen – und wahrscheinlich wird er es nicht nochmal erleben wird. Schoen wird zurück in seine Sparkasse kehren, Marvin Polte hingegen ist bereits als neuer Partner von Christoph Dieckmann, dem Olympia-Fünften, im Gespräch. Was ihnen bleibt, ist das Märchen von Berlin. FRANK KETTERER