Beamte wollen sorglos bleiben

Pensionäre wollen nicht wie Rentner behandelt werden und klagen dagegen vor dem Bundesverfassungsgericht. Aussichten auf Erfolg haben sie kaum

KARLSRUHE taz ■ „Beamte haben Anspruch auf eine gewisse Sorglos-Stellung“, sagte gestern der Rechtsprofessor Matthias Pechstein vor dem Bundesverfassungsgericht. Er vertritt drei Beamte im Ruhestand, die gegen die seit 2002 geltende Reduzierung ihrer Pensionen klagen. Sie stehen stellvertretend für bundesweit tausende Kläger.

Was Rentner erdulden müssen, soll auch für Beamte gelten. Das war der Grundgedanke der Bundesregierung, als sie 2001 das Versorgungsänderungsgesetz beschloss. Künftig sollen Staatsdiener nur noch 71,75 Prozent ihrer bisherigen Bezüge erhalten. Bisher waren es 75 Prozent. Bei den bereits pensionierten Beamten wird die Versorgung in acht jährlichen Schritten angepasst. Ihre Pensionen steigen langsamer als die Beamtengehälter, bis auch sie nur noch 71,75 Prozent ihrer ehemaligen Bezüge erhalten.

Anwalt Pechstein sieht hierin eine Verletzung der im Grundgesetz garantierten „hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums“. Der Maßstab von 75 Prozent gelte schon seit über 100 Jahren und könne nun nicht einfach geändert werden. Der Staat müsse den Beamten, die sich mangels Streikrecht nicht wehren können, stets eine „angemessene“ Versorgung zukommen lassen. Und wenn bisher 75 Prozent angemessen waren, müsse der Staat daran auch festhalten. In den acht Jahren könnten sich die Betroffenen jedenfalls keine ergänzende private Altersversorgung einrichten.

Die Bundesregierung verteidigte die Reform. Die Anpassung der Pensionen sei „maßvoll und ausgewogen“, sagte gestern Fritz-Rudolf Körper (SPD), der parlamentarische Staatssekretär im Innenministerium. Beamte würden auch nicht stärker belastet als Rentner. „Während die Renten von 1990 bis heute um 29 Prozent gestiegen sind, beträgt der Anstieg der Pensionen 31 Prozent“, rechnete Körper vor.

Das Bundesverfassungsgericht muss nun eine Grundsatzentscheidung treffen, ob es dem Gesetzgeber möglich ist, Reformen und Einschnitte bei der Rente auch auf Beamtenpensionen zu übertragen. Körper kündigte gestern bereits an, angesichts der schlechten Haushaltslage seien weitere Abschläge unabdingbar. Das „Versorgungsnachhaltigkeitsgesetz“, das die Bundesregierung Mitte Juni vorgestellt hat, soll die Rentenreform von 2004 für die Beamten nachvollziehen.

Dabei ist noch völlig ungeklärt, wie Bund, Länder und Gemeinden die steigenden Versorgungslasten überhaupt finanzieren wollen. Weil die Zahl der Beamten in den vergangenen Jahrzehnten sowohl in der Verwaltung als auch in den Schulen und bei der Polizei stark anstieg, wird sich bald auch die Zahl der Pensionäre drastisch erhöhen: von derzeit 900.000 auf 1,5 Millionen im Jahr 2050. Die entsprechenden Ausgaben des Staates werden sich im gleichen Zeitraum sogar verdreifachen und von 24,3 Milliarden Euro auf 74,6 Milliarden Euro steigen. Die Ausgaben für Pensionen betragen jetzt schon 9 Prozent des Staatshaushaltes, in 15 Jahren werden 12 Prozent aller Staatsausgaben für den Lebensabend der Staatsdiener fließen, so der Versorgungsbericht der Bundesregierung.

Vor diesem Hintergrund ist kaum mit einem Erfolg der klagenden Pensionäre zu rechnen. Das Urteil soll voraussichtlich im Herbst verkündet werden.

CHRISTIAN RATH