Dumpfe Parolen zum sensiblen Thema

Wasserwerfer und Panzerwagen: Großes Polizeiaufgebot schützt den Aufmarsch von 100 Neonazis gegen „Kinderschänder“ in Schnelsen. 1.000 Gegendemonstranten frühzeitig abgedrängt. Braune Parolen finden bei Anwohnern keinen Anklang

von PETER MÜLLER
und ANDREAS SPEIT

Dieses Mal wollte die Polizei nicht wieder – wie vor zwei Wochen – den Fehler machen, den örtlichen Protest der überwiegend migrantischen Bevölkerung in Schnelsen-Süd zu unterschätzen. Und so gleicht der Zug der 100 Neonazis, der am Sonnabend über die Holsteiner Chaussee marschiert, eher einer Polizeiparade, bei der sämtliches Equipment zur Schau gestellt wird: Vorneweg eine vermummte Beweissicherungs- und Festnahmeeinheit, die die Gegendemonstranten aus den Vorgärten scheucht, zwei Wasserwerfer, Gerätewagen und eine Hundertschaft Bereitschaftspolizisten. Hinter den Neonazis eine Kolonne von Polizei-Fahrzeugen und Panzerwagen. Die rund 1.000 Antifaschisten werden schon frühzeitig in die Seitenstraßen abgedrängt oder dort abgefangen.

Trotz des nach den Morden an Levke und Felix emotional belasteten Themas der sexualisierten Gewalt gegen Kinder finden der Ideologe Christian Worch und seine Kader, die zum Teil aus München angereist sind, mit ihrem Aufmarsch in der Region keinen Anklang. Die Anwohner erkennen die Sprüche als braune Parolen, auch wenn die Rechten vorgeben, doch nur unschuldige Kinder vor sexualisierter Gewalt und deren traumatischen Folgen schützen zu wollen.

Konkret richtet sich die Aktion gegen Frank F., der in Schnelsen-Süd wohnt. Er soll Betreiber des Pädophilen-Internetportals „Seventeen6“ sein. F. wohnte eine Zeitlang mit dem Gründer des Pädophilenvereins „Krumme 13“ zusammen, der vor zehn Jahren verurteilt worden war, weil sein Verein Pornografie vertrieben haben soll. Er hat inzwischen Strafanzeige gegen mehrere Neonazis wegen „Verleumdung“ erstattet.

Kampagnen zu aktuellen, emotional aufgeheizten Themen sind mittlerweile gängige Taktik. Versuchten Neonazis noch vor zehn Jahren vor allem ihre Klassiker Vertreibung, Kriegsschuldfrage, Relativierung des Holocausts unters Volk zu bringen, hören sie nun verstärkt auf des Volkes Stimme und greifen gesellschaftliche Themen auf. So machen sie Stimmung gegen den Irak-Krieg oder Hartz IV ebenso wie gegen so genannte „Kinderschänder“ anlässlich der Medienberichterstattung über den Michael-Jackson-Prozess und den Mörder von Levke und Felix, Frank Hoffmann.

Dabei reduziert sich die Einordnung des Themas auf die üblichen klassisch-dumpfen Parolen. So kritisiert Worch die Tatenlosigkeit der „Amtskirchen“, weil ja „Pfarrer und Pastoren selber solche Gelüste“ hätten. Und Worchs Zögling Alexander Hohensee betont die Aufgabe der „Nationalen Kräfte, noch vor der Machtübernahme“ gegen derartige „Neigungen“ vorzugehen: „Die Perversen haben das deutsche Volk verkorkst und verdorben.“ Fazit der Neonazis: „Todesstrafe für Kinderschänder“ oder „Sperrt die Pädophilen ein, Arbeitslager, das muss sein“.

Vor zwei Wochen waren bereits die Anhänger des Aktionsbüros Nord heimlich in Schnelsen aufmarschiert. Damals hatte es spontane Proteste gegeben, die Rechten wurden mit Eiern und Gemüse beworfen. Nun sind 1.500 Polizisten aus diversen Bundesländern zum Schutz vor Ort. Hohensee verzeiht die Naturalienattacke: „Die Südländer“ hätten „es einfach nicht verstanden“, da sie von den „Linksfaschisten“ einer „Gehirnwäsche“ unterzogen worden sind. Und diese seien „blind und sehen nicht, dass alles den Bach runtergeht“. Die „Kameraden“ reagieren im Sprechchor: „Linkes Gezeter, neun Milimeter“.