der homosexuelle mann … von ELMAR KRAUSHAAR
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… muss jetzt als Beweis herhalten dafür, dass es doch eine ganz schöne Zeit war mit Rot-Grün. Die uns das Windrad gebracht hat, das Dosenpfand und die zauberhafte Homoehe. Lauter glückliche Homosexuelle – da kann doch nicht alles falsch gewesen sein! Noch ist dieser Spuk nicht verdaut, sollen Homosexuelle jetzt ebenfalls dafür garantieren, dass die kommende Ära Merkel so schlecht auch nicht werden kann. Die künftige Doppelspitze – „eine geschiedene, kinderlose Protestantin und ein offen Homosexueller“ – sei, schreibt Nils Minkmar in der FAS „eine Fundamentalliberalisierung der konservativen Milieus, deutliches Manifest jenes gesellschaftlichen Fortschritts, den die Linke befördert hat, bis er nun ihren Abgang bedeutet“.

Was für ein aufgeblasenes Gestammel! Die Tatsache, dass man Guido Westerwelle – die absolute Nummer eins auf der Liste der versteckten Schwulen – noch immer nicht vom Hof gejagt hat ob seiner Veranlagung, soll die Weltoffenheit der Konservativen belegen. Denn bei Minkmars Lobhudelei auf den Modernisierungsschub der Ewiggestrigen geht es nicht um das Homosexuelle, die Heteros belobigen sich lediglich gegenseitig dafür, dass sie jetzt einen in den eigenen Reihen dulden, den sie vor zehn Jahren noch zum Arzt und vor 30 Jahren noch vor den Richter geschleppt hätten. Homosexuelle sind nichts weiter als possierliche Zeitgenossen, die auf aparte Weise die Grundausstattung der Neokonservativen ergänzen.

Der lifestylige Spaß aber hört auf, meint der Kolumnen-Konservative des Tagesspiegel, Roger Boyes, wenn es um den Schutz der Tiere geht. Und spricht sich deshalb gegen eine „Gay Night at the Zoo“ aus, wie sie unlängst in Berlin gefeiert wurde. Nicht etwa, weil die Tiere alle schwul werden könnten beim Anblick der lustigen Homos, nein: „Wir Menschen sollten den Tieren beim Besuch zeigen, wie man ein interessanteres und wertvolleres Leben führen kann.“

Sei’s drum, den Homosexuellen wird die neuerliche Avantgarde-Rolle gefallen. Sie sind gern vorneweg und Trendsetter und Stylescouts. Damit lässt sich das beständige Gefühl der Minderwertigkeit so weit zukleistern, bis fast nichts mehr zu spüren ist. Deshalb lieben Schwule die zeitgemäße Symbolpolitik, „die Politik“, wie die taz kürzlich postulierte, „in ihrer symbolischen, medial vermittelbaren Weise“. Und deshalb stehen die Schwulen auch auf Homoehe. Selbst wenn sie nur von so wenigen in Anspruch genommen wird, dass ihre Zahl nicht einmal für eine leidlich brauchbare Statistik taugt, wurde und wird sie doch gefeiert als Jahrhundertwerk. Schwule wissen nur zu genau, dass ihren alltäglichen Ausgrenzungen nicht beizukommen ist mit Paragrafen und Erlassen. Umso mehr kleben sie an der strahlenden Oberfläche, die in ästhetischer Feinheit die wahren Zustände verschleiert.

Und sollte es dereinst in der Mitte der Hauptstadt auch ein Mahnmal für die ermordeten Homosexuellen des Nazi-Reichs geben, so wird dort ebenso dem SA-Führer Ernst Röhm gedacht wie dem unbekannten Friseur, der im Konzentrationslager ermordet wurde. Ein paar Täter mehr oder weniger unter den Opfern, darauf sei gepfiffen, Hauptsache, das Denkmal ist schön gestaltet.