Warnung vor Vogelgrippe-Pandemie

UN-Expertentreffen in Kuala Lumpur: Mischt sich in Asien der Vogelgrippevirus mit menschlichen Grippeviren, droht eine Pandemie. Aufforderung an die westlichen Staaten, Asien im Kampf gegen die Geflügelpest stärker zu unterstützen

AUS BANGKOK NICOLA GLASS

Die asiatischen Länder würden ihr Möglichstes tun, um neue Ausbreitungen der Vogelgrippe bei Geflügel und Wildvögeln zu begrenzen. Sie seien dabei aber auf die finanzielle Unterstützung des Westens angewiesen, erklärte der Sprecher der Weltgesundheitsorganisation (WHO), Peter Cordingley, bei dem noch bis heute in Malaysias Hauptstadt Kuala Lumpur dauernden UN-Expertentreffen zur Vogelgrippe und menschlichen Gesundheit. Die westlichen Länder verhielten sich jedoch „apathisch“, kritisierte er. Die WHO befürchtet, dass der Vogelgrippe-Erreger H 5 N 1 für Menschen noch weitaus gefährlicher werden kann: Wenn er sich mit menschlichen Grippeviren mische, drohe eine Pandemie.

„Die Geflügelpest ist nicht nur ein asiatisches Problem“, warnte auch der Chefveterinär der Welternährungsorganisation (FAO), Joseph Domenech. Solange es Infektionsherde in Asien gebe, sei kein geflügelproduzierendes Land sicher. Laut Domenech benötigt Asien für den Kampf gegen die Seuche in den nächsten zwei Jahren etwa 100 Millionen US-Dollar. Bis jetzt sei aber nur ein Zehntel des Betrags zusammengekommen.

Die Experten begründen ihre Sorgen mit den jüngsten Ausbrüchen: In der westchinesischen Qinghai-Provinz sind nach offiziellen Angaben kürzlich etwa 6.000 Zugvögel verendet. Diese hohe Anzahl sei umso alarmierender, als man bislang angenommen hatte, Wildvögel seien dem H 5 N 1-Virus gegenüber einigermaßen widerstandsfähig.

Leidvolle Erfahrungen mit der Seuche machte vor allem Südostasien. In Thailand und Vietnam war die Vogelgrippe um die Jahreswende 2003/2004 aufgetreten. Auch Menschen infizierten sich mit dem aggressiven H 5 N 1-Erreger: Bis heute starben in Vietnam 39 Menschen, in Thailand 12. Kritiker hatten Thailand damals vorgeworfen, es habe jenen ersten Ausbruch vertuscht, um das milliardenschwere Exportgeschäft mit Geflügelfleisch nicht zu gefährden. Zwar meldeten die thailändischen Behörden Anfang Mai dieses Jahres, das Land sei jetzt frei von Geflügelpest, doch kann diese jederzeit wieder auftreten.

Jüngere Entwicklungen haben gezeigt, dass sich die Gefahr eines Ausbruchs unter Zuchttieren auf Geflügelfarmen offenbar verringert hatte. Stattdessen waren laut Chaturon Chaisaeng, dem Vorsitzenden des thailändischen Komitees zur Bekämpfung der Vogelgrippe, eher freilaufende Hühner und Enten bedroht sowie Kampfhähne und eben auch Wildvögel. Um einer potenziellen Pandemie vorzubeugen, hat Thailand begonnen, Vorräte eines bislang teuer importierten Medikaments anzulegen. Dieses hatte man Patienten bei Verdacht auf H 5 N 1 bereits im vergangenen Jahr verabreicht.

Währenddessen gilt Vietnam weiterhin als Krisenherd. Zwar revidierte die WHO einen kürzlich vorgelegten Bericht, in dem es zunächst geheißen hatte, die Ansteckungsgefahr für Menschen sei durch Mutationen des H 5 N 1-Virus gestiegen. Eine internationale Expertengruppe unter WHO-Federführung räumte ein, sie hätte doch keine entsprechenden Hinweise finden können. Gleichzeitig erklärte sie, diese Einschätzung basiere nur auf vorläufigen Daten. Die Gefahr einer Pandemie ist damit nicht gebannt.

Um vorzubeugen, forderten die Konferenzteilnehmer die betroffenen Länder zu Massenimpfungen von Geflügel auf. Thailand hatte schon zuvor angekündigt, es wolle einen Impfstoff-Prototyp herstellen. Vorsorgliche Impfungen von Exportgeflügel aber lehnte das Land bisher aus Sorge ab, die angeschlagene Exportindustrie damit noch weiter zu schädigen. Vietnam erklärte, demnächst einen eigenen Impfstoff zu erproben. Zunächst an Geflügel, dann auch an ausgewählten Testpersonen. Eine erfolgreiche Impfung könnte ein Meilenstein im Kampf gegen eine Pandemie sein. Allerdings dürften dabei keine Nebenwirkungen entstehen und auch keine andere Virenart, die sich als Gefahr für die öffentliche Gesundheit entpuppe.