Kastanienallee ist ziemlich breit

Im Sommer flüchten die Drogendealer im Mauerpark vor Polizeikontrollen. Auf der Kastanienallee dealen sie dann im Schutz der gut besuchten Cafés. Die Besitzer wissen sich meist nicht zu helfen

VON FRAUKE ADESIYAN
UND KATHI PREPPNER

Die Kastanienallee ist hip. Dort wird flaniert, eingekauft, Kaffee getrunken. Und es werden Drogen verkauft, teilweise auch in den Cafés. Mit der Frage, wer hier eigentlich dealt, kommt auch noch das Problem des Alltagsrassismus auf. Auslöser der Diskussion ist die Dienstanweisung einer Cafébetreiberin, die ihre Mitarbeiter aus Angst vor Drogendealern dazu auffordert, schwarze Jugendliche nicht mehr zu bedienen (siehe Bericht unten).

Dass die Kastanienallee ein Problem mit Drogenhändlern hat, bestätigt Thomas Böttcher, der Leiter des zuständigen Polizeiabschnitts. „Jeden Sommer, wenn wir die Kontrollen im Drogenschwerpunkt Mauerpark verstärken, findet ein Ausweichbewegung der Händler statt. Die haben natürlich auch keine Lust, sich täglich kontrollieren zu lassen.“ In der Nacht zum Freitag wurde in der Kastanienallee ein Drogendealer mit Haschisch und Heroin festgenommen – die 7. Festnahme eines Dealers auf der Straße in diesem Sommer.

Für Dealer bietet die Kastanienallee einige Vorteile. Sie liegt verkehrsgünstig an der U-Bahn-Linie 2 und ist sehr gut besucht. „In dem Getümmel und auch in vollen Cafés fühlen sich die Händler nicht so sehr beobachtet“, erklärt Abschnittsleiter Böttcher. Häufig halten sich die Drogenhändler gegen das Wissen und den Willen der Caféinhaber in den Lokalitäten auf. Das kann zu Problemen für die Inhaber führen. „Wenn sich viele Drogenhändler in einem Lokal aufhalten, und das eventuell dann auch noch im Einvernehmen oder mit Unterstützung der Inhaber, kann es zum Konzessionsverlust kommen.“ Generell hafte ein Betreiber aber nicht für seine Gäste und könne auch nicht dauernd bis zu 100 Leute überblicken, schiebt Böttcher hinterher.

Die Konzession kann die Polizei nicht entziehen, dafür ist das Ordnungsamt zuständig. Almuth Nehring-Venus, Stadträtin in Pankow und zuständig für das dortige Ordnungsamt, beschreibt den üblichen Ablauf: „Die Polizei bemerkt das Dealen, kann die Kneipe dann sofort schließen und informiert das Ordnungsamt. Hier wird geschaut, was die Betreiber gegen den Drogenhandel in ihrem Lokal getan haben.“ Möglichkeiten, sich als Cafébesitzer eindeutig von den Drogenhändlern zu distanzieren, sind Schilder, auf denen steht, dass Dealen nicht geduldet wird und ein Verstoß zur Anzeige führt. Außerdem sollten Besitzer das ganze Lokal einsehbar machen, sodass für Dealer keine Rückzugsmöglichkeit besteht. „Wenn sie das tun, wird ihnen auch nicht die Schankerlaubnis entzogen“, versichert Nehring-Venus.

Von Verbotsschildern ist in den Cafés auf der Kastanienallee nichts zu sehen. Gegen Drogendealer haben die wenigsten eine Strategie. Thomas Knoll, Mitarbeiter im Schwarzsauer, sagt dazu: „Natürlich muss man als Cafébesitzer aufpassen, wenn Kunden im Laden dealen. Aber ich weiß auch nicht, wie man da reagieren sollte.“ Jana Schmidt, Besitzerin des Leschto Cafés, hatte schon mal Probleme mit vermeintlichen Drogenhändlern. Vor etwa zwei Monaten habe sich über mehrere Wochen hinweg täglich eine Gruppe schwarzer Männer draußen in ihrem Café aufgehalten, ohne etwas zu bestellen. Drogen habe sie nie bei ihnen gesehen, nur manchmal habe es nach Joints gerochen. Ab und zu hätten sie sich zu fünft eine Cola geteilt. Wenn nicht, habe sie die Männer aufgefordert, das Café zu verlassen, sagt Schmidt. „Das ist eine schwierige Situation. Die haben gesagt, ich sei ausländerfeindlich. Ich hab mich echt unwohl gefühlt.“

Thomas Böttcher vom zuständigen Polizeiabschnitt bestreitet jedoch, dass man das Täterprofil auf bestimmte Nationalitäten und Hautfarben einschränken kann. „Das Einzige, was wir sagen können, ist, dass die Täter meist männlich und immer unter 50 Jahre alt sind.“ Unter den gefassten Dealern waren deutsche wie auch ausländische Täter.

Als typischen Drogenkiez will Böttcher die Kastanienallee nicht bezeichnen: „Davon sind wir meilenweit entfernt.“ Bevor der Drogenhandel eine urbane Struktur verändere, müsse er sich über lange Zeit entwickeln können, erklärt Böttcher. „Die Kastanienallee ist eine liebenswerte Szenestraße, auf der sich gelegentlich Dealer aufhalten.“