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: Über die Schöpfung und über Menschen und Tiere: Moderne Fabeln mit lehrhaften Tendenzen

Ist die Kaffeemaschine aus? Die Dachluke zu? Die Wohnungstür abgeschlossen? An was man alles denken muss, wenn man in den Urlaub fährt! Und einige denken eben ein bisschen mehr als andere. Es könnte ja jemand einbrechen. Wer viel hat, hat viel zu verlieren. Wer wenig hat, will das Wenige aber auch behalten. Menschen sind ganz schön kompliziert. Tiere ebenfalls. Besonders, wenn sie sich wie Menschen aufführen. Das nennt man dann eine Fabel: „Kurze Erzählung mit lehrhafter Tendenz, in der zumeist Tiere menschliche Eigenschaften und Verhaltensweisen verkörpern“, sagt der Literaturbrockhaus dazu. So wie bei Katze Karla und Hund Hektor. „Ein Dieb ist in der Stadt“, verkündet der Wachhund und beginnt sofort, sein Haus zu sichern. Ein Schloss ans Gartentor, ein neuer Riegel an die Haustür, zusätzliche Schlösser an die Fenster. Und eine Videokamera über den Eingang. So viel Sicherheit ist ansteckend. Bald ist das Dorf eine Festung.

Die „lehrhaften Tendenzen“ sind ja ein bisschen aus der Mode gekommen, aber in diesen modernen Fabeln von Andreas Schlüter funktioniert das richtig gut: Sicherheitswahn, Schönheitswahn, Jugendwahn, Geldwahn – die Fabeltiere verwandeln jeden Wahnsinn in eine heitere Geschichte.

Ein Glücksfall ist auch das neue Buch von Helme Heine. „Die Schöpfung“ wird da gleich dreifach präsentiert: als Text, als Bilderbuch und als Komposition auf CD. Leicht und froh ist diese Schöpfung. Wenn Gott (mit Mut zum Klischee: ein freundliches Männchen mit Rauschebart, Sonnenhut und Handwerkskittel) das Licht entzündet, zuckt ein gelber Pfeilblitz durch die schwarze Ewigkeitswolke und in der Musik von Reinhard Seifried haben die Bläser ihren Einsatz. Bei den knallroten Herzen, „die dir zufliegen“, sind natürlich die Streicher dran. Da kann die Musik tatsächlich erzählen, und für so etwas Großartiges wie die Schöpfung muss es schon das Bayerische Staatsorchester sein, das da aufspielt. Ebenso prächtig sind die Farben, sie preisen diese Schöpfung in freundlichem Licht und mit leichtem Strich.

Aber auch der Text ist weit mehr als eine Adaption des Alten Testaments. Diese Genesis hört nämlich mit dem siebten Tag noch nicht auf. Der Schöpfung der Welt folgt die Schöpfung des Individuums, das drei Freunde hat: Kopf, Herz und Bauch. Und zu einer ehrlichen Schöpfung gehört natürlich auch ihr Ende, der Tod. Das ist der Tag, an dem die drei Freunde auseinander gehen. Und dann? Dann ist da immer noch Rosi Herz. Sie „kümmert sich um alle Herzen, die du in deinem Leben gesät hast – oder die nicht angekommen sind. Sie verteilt sie in deinem Namen, damit du nie vergessen wirst.“

Nun kennt die Schöpfungsgeschichte jeder, und auf diesem Fundament lässt sich gut bauen. Anders ist das mit den „Tiergeschichten aus dem Buddhismus“, die der Hanser Verlag präsentiert. Schon die ornamentale Zeichensprache ist fremd. Außerdem sind die einzelnen Geschichten in eine größere Erzählung eingebunden, in der ein Mönch recht oberlehrerhaft den Kindern predigt und für sie die rechten Lehren aus den Geschichten zieht. Dadurch bekommt das Ganze einen merkwürdig raunenden Ton, eine „lehrhafte Tendenz“, der das Spielerische der Schöpfung wie der Fabeln abgeht. Schade, denn die einzelnen Geschichten sind stark – auch wegen der kräftigen Farben, die so viel strahlender als die Ton-in-Ton-Beleuchtung nördlicher Breitengrade sind. ANGELIKA OHLAND

Andreas Schlüter: „Wie Hund und Katz“. Moderne Fabeln. Mit Bildern von Reinhard Michl. Gerstenberg Verlag, Hildesheim, 109 Seiten, 15,90 EuroHelme Heine: „Die Schöpfung“. Eine musikalische Erzählung. Mit Audio-CD. Musik von Reinhard Seifried. Beltz & Gelberg, Weinheim, 22,90 EuroTor Åge Bringsværd, Stella East: „Der kleine Papagei, der ganz allein den Wald retten wollte“. Tiergeschichten aus dem Buddhismus. Hanser Verlag, München, 64 Seiten, 14,90 Euro