der rechte rand
: Rechtes Erlebniswochenende

Wegschauen geht nicht: 25 Prozent mehr Neonazis haben die Verfassungsschützer im vergangenen Jahr gezählt. Für die taz nord beobachtet Andreas Speit den rechten Rand. Kontinuierlich.

Propagandaaktionen, Politkonzerte und Partys: Immer wieder bieten Kader aus dem Netzwerk der „Freien Kameradschaften“ (FK) solche Events an. Das Politische soll mit dem Privaten verbunden werden: Damit wollen die Kader persönliche Identitätskonstruktionen ermöglichen. Ganz locker sollen die Interessierten in dem Netzwerk aus militanten Neonazis, aggressiven Rechtsrockern und rechtsorientierten Jugendlichen die politischen Ideen verinnerlichen und die „kameradschaftliche Gemeinschaft“ erleben. Volles Programm boten dementsprechend am vergangenen Samstagabend die militanten Neonazis Christian Worch, Alexander Hohensee und Torben Klebe.

„Auch wenn es dem Spießbürger nicht gefällt, selbst wir haben ein Recht auf Party!“, hieß es schon Tage vorher im Internet. Unter dem Motto „Rock gegen Repressionen“ sollten die Rechtsrockbands „Confident of Victory“, „Selbststeller“, „Spreegeschwader“, „Terroritorium“ und „Armco“ auftreten. Alleine den Veranstaltungsort gaben sie nicht bekannt. Ab 18.00 Uhr aber leiteten die Veranstalter über Kontaktnummern und Schleusetreffpunkte die Rechten zum städtischen Jugendzentrum „Haus für alle“ in Lübeck Moisling.

„Diese Geheimnistuerei hat natürlich was von Abenteuer“, erzählt Patrick B., der jahrelang in der norddeutschen Naziszene war. „Wir gegen die Antifa und die Bullen. Alleine die Fahrt, auch wenn sie Stunden dauerte, schweißt zusammen. Was glaubst du wie du dich fühlst, wenn dann voll laut gesungen wird: ‚Lasst die Messer flutschen in den Judenleib.‘“

In Lübeck konnten die Rechte nur bei anderthalb Liedern mitgrölen. Der Organisator Worch hatte sich verschätzt – obwohl sich der gelernte Notariatsgehilfe seit einigen Jahren bemüht, Rechtssicherheiten für Rechtskonzerte zu schaffen, „um musikalisch Interessierten zusätzlich etwas zu bieten“, wie er in einem internen Schreiben erklärte. Am Samstag ließ sich die Stadt Lübeck jedoch nicht vorführen. „Unter einer falschen Legende hat Worch die Räumlichkeiten angemietet“, erklärte eine Sprecherin der Polizei, die nachdem der Konzertort bekannt war gleich mit etwa 240 Beamten anrückte. Der eiligst herbeigerufene Hausmeister kündigte sofort das Mietverhältnis wegen „Täuschung“. Prompt konnte die Polizei das Konzert gegen 19.00 Uhr auflösen.

Doch für die etwa 40 Neonazis war der Abend damit nicht vorbei: Per Infotelefon leiteten die Organisatoren das rechte Publikum zu einem neuen Event um. Gut gelaunt trafen also an die 200 Neonazis gegen 20.00 Uhr in Travemünde ein. Die Musik von der Bühne des dreitägigen Jazzfestivals an der Strandpromenade dürfte die Neonazis zwar genervt haben, dafür kamen ihnen die Bierstände gelegen. Mit den Kameraden scherzend bewegten sie sich zwischen Bierstand und Strand. Einige Neonazis gingen noch mal in der Lübecker Bucht schwimmen. Andere flanierten über die Promenade. Viele Urlauber waren erschrocken. „Dürfen die so rumlaufen“, fragte eine ältere Dame die längst nachgekommene Polizei und zeigte auf ein T-Shirt mit „Blut und Ehre“-Aufdruck. „Das haben wir noch nie erlebt“, sagte ein junges Paar erschrocken.

Zu späterer Stunde und nach mehreren alkoholischen Getränken begannen die Rechte, von denen die meisten nicht bei einem Aufmarsch zu sehen waren, Passanten anzupöbeln. „Kanake raus“, riefen sie oder machten Affenlaute nach. Einen vermeintlichen Linken griffen mehrere an. „Sie traten nach ihn“, erklärte ein Polizist. Später flogen Steine auf die Einsatzkräfte und ein Streifenwagen wurde beschädigt. Gegen 24.00 Uhr traten die Rechten die Heimfahrt an. „Ein schönes Wochenende“ hatte vorher noch eine Neonazistin zu ihrem Freund gesagt. „Ja, nur ‚Armco‘ aus Italien hätte ich gern gesehen“, erwiderte der.