„Ich habe kein Museum versprochen“

Kultursenator Thomas Flierl (PDS) will am Checkpoint Charlie ein Museum des Kalten Krieges. Bauen soll dort ein privater Investor. Selbst die Miete müssten dann Bund oder andere mittragen. Sicher ist derzeit nur: Es kommt ein Bauzaun mit Bildern

Interview Tina Hüttl

taz: Herr Flierl, Sie haben ein Dreistufenkonzept für die Grundstücke am Checkpoint Charlie vorgelegt. Zunächst wollen Sie einen Bauzaun errichten, auf dem die Geschichte des Ortes dokumentiert wird. Wird aber hinter dem Zaun tatsächlich jemals das von Ihnen angekündigte Museum des Kalten Krieges erbaut?

Thomas Flierl: Die Eigentümer, also die Bankgesellschaft Hamm, wollen mit dem Zaun zunächst einmal ihre Grundstücke sichern. Die Bank hat jetzt einen Projektentwickler für das Gelände ausgewählt, der dann Käufer und Dauernutzer sucht und auch unser Verhandlungspartner wird. Es wird auf jeden Fall auf beiden Straßenseiten eine Wohn- und Geschäftsbebauung geben. Und möglicherweise wird es dann in diesem bebauten Raum als einen der gewerblichen Nutzer ein – möglicherweise öffentlich mitfinanziertes – Museum des Kalten Krieges geben.

Kaufen wird Berlin die Grundstücke also nicht.

Die 36 Millionen, die die Bank fordert, haben wir nicht. Es braucht aber auch nicht den Rückkauf des Grundstückes für die angestrebte Nutzung. So kritikwürdig der damalige Verkauf auch war – immerhin ist im Kaufvertrag festgehalten worden, dass ein Investor sich verpflichtet, am östlichen Grundstück auf mindestens 650 Quadratmetern einen Ort der Dokumentation in Absprache mit der Kulturverwaltung zu errichten. Jeder zukünftige Investor wird sich daran halten müssen. Daran werden wir anknüpfen.

Auf ein ganzes Museum des Kalten Krieges muss ein potenzieller Investor sich aber nicht einlassen.

Es wird immer so getan, als würde ich ein Museum versprechen. Das ist falsch. Es ist ein Vorschlag aus einer Debatte, der übrigens schon im April in meinem Gedenkstättenkonzept formuliert wurde. Zunächst geht es ja um einen Gedenkort und eine angemessene Dokumentation, über die wir mit dem Projektentwickler verhandeln. Eine andere Frage ist dann: Lässt sich der Gedanke eines umfassenderen Ortes der Information aufgreifen? Initiatoren für ein Museum des Kalten Krieges sind bekanntlich Dieter Vorsteher vom Deutschen Historischen Museum und Konrad Jarausch vom Zentrum für Zeithistorische Forschung in Potsdam. Sie erarbeiten das Museumskonzept in engem Kontakt mit dem Alliiertenmuseum und dem Museum Karlshorst.

Das ist ja schön und gut. Aber wer soll es umsetzen und den Museumsbau sowie seinen Betrieb finanzieren?

Berlin kann das allein nicht tragen. Wir brauchen weiterführende Initiativen. Es geht darum, durch die öffentliche Hand oder durch öffentliche Stiftungen – möglichst in gesamtstaatlicher und europäischer Perspektive – ein öffentlich getragenes Museum zu entwickeln, das sich dann beispielsweise auf dem Gelände einmietet. Der Grundstock ist mit der im Kaufvertrag zugestandenen Fläche schon finanziert, die Betriebskosten werden bei einer erwarteten Besucherzahl von ca. 300.000 weitgehend abgedeckt sein.

Halten Sie das für realistisch?

Ich halte auf jeden Fall die historische Auseinandersetzung an diesem Ort und in dieser Dimension für wünschenswert. Leider hat der Bund bisher hier keine Mitverantwortung übernommen, obwohl ein solch zentraler Ort von internationaler Bedeutung mit dieser Geschichte meiner Meinung nach eine gesamtstaatliche Aufgabe ist.

Setzen Sie jetzt vielleicht sogar insgeheim auf eine neue schwarz-gelbe Bundesregierung?

Von der Berliner CDU habe ich bisher noch keine konstruktiven Vorschläge zum Checkpoint gehört, außer dass alles so bleiben soll, wie es bis vor kurzem war. Wenn die Bundes-CDU mit einem weiteren Blick darauf schaut, dann erwarte ich, dass sie gemäß dem vom Bundestag beschlossenen Gedenkstättenkonzept bis zu 50 Prozent der Aktivitäten zur Geschichtsarbeit mitfinanziert. Das könnte dann zum Beispiel die zweite Stufe, die Open-Air-Ausstellung, sein oder eine museale Einrichtung. Wir haben den ersten Schritt getan: Bereits in den nächsten Wochen kommt die etwa drei Meter hohe Galeriewand mit einer Fotofolie. Dazu erstellen wir gerade die Texte, auch die Fotoredaktion findet schon statt. Für die Finanzierung der Inhalte zu sorgen, ist meine Aufgabe. Die Galeriewand wird unser Partner finanzieren.

Die Bevölkerung hat offensichtlich ein Bedürfnis nach einem emotionalen Gedenkort. Das haben die Kreuze gezeigt, die die Leiterin des Museums am Checkpoint Charlie, Alexandra Hildebrandt, dort aufstellen ließ. Ein Museum des Kalten Krieges dagegen, kritisierte etwa Bundestagspräsident Wolfgang Thierse, könne das individuelle Leid sogar eher revidieren. Er fürchtet, der Mauerbau könne dann als notwendige Konsequenz erscheinen, um einen heißen Krieg zu verhindern.

Ich verstehe diese Bedenken, aber ich teile sie nicht. Mein Mauergedenkkonzept ist ja gerade auf mehrere Orte fokussiert, die ganz bewusst alle verschiedene Schwerpunkte haben. Eine Monopolisierung des Opfergedenkens, noch dazu an die Opfer aller deutsch-deutschen Grenzen, am Checkpoint Charlie ist völlig sinnwidrig. Das ist zwar aus dem touristischen Verständnis einer Frau Hildebrandt verständlich, dass man alles an einem Ort erlebt. Aber es konnte keinen Bestand haben.

Sind Sie froh, dass das Gezerre um die Kreuze und das falsche Mauerstück endlich vorbei ist?

Ja, aber ich empfinde keine Genugtuung. Ich war stets dagegen, das Gelände polizeilich räumen zu lassen. Das war aber Sache des Eigentümers. Die Auseinandersetzung ist inzwischen Teil der Geschichte des Ortes geworden. Ich hoffe nun, dass unser Dreistufenplan die unproduktive Auseinandersetzung mit diesem Ort beendet.

Sie haben stets betont, die Opferverbände mit einzubeziehen. Der Vorstoß für ein Museum des Kalten Krieges war dann aber doch eher ein Alleingang.

Das Museum war Teil meines Mauerkonzeptes, welches wiederum den Vertretern aller Opferverbände vorgestellt wurde. Zur Idee des Museums hat sich keiner von ihnen negativ geäußert. Abgesehen davon, gibt es auch keine ausschließliche Konzentration der Opferverbände auf diesen Ort. Er ist nicht mehr Ort der Opferverbände als andere. Es gibt auch hier keine Monopolisierung.

Die Holzkreuze haben auch bei Ihnen Spuren hinterlassen. An der Bernauer Straße, dem laut Ihrem Konzept zentralen Ort, soll es nun ein individuelles Gedenken an die Opfer und ihre Schicksale geben. Wie müssen wir uns das vorstellen?

Die Bernauer Straße hat ja zwei Eigenheiten: Sie ist das einzige noch zusammenhängende Mauergebiet, das noch nicht bebaut ist und jetzt mit dem Nordbahnhof sogar noch erweiterungsfähig ist. Und zum Zweiten steht dort das von der Bundesrepublik gestiftete künstlerische Denkmal mit den Spiegelwänden und der rostigen Wand. Hier finden sämtliche staatliche Ehrungen für die Berliner Maueropfer statt. Entscheidend ist nun, ihre individuellen Biografien und die konkreten Umstände ihrer Flucht wissenschaftlich zu erforschen. Schön wäre dann – sofern es die Urheber erlauben – die erforschten Schicksale am Bundesdenkmal zu dokumentieren.

Nicht nur ein stärkeres individuelles Erinnern wird offensichtlich gewünscht. Die Bevölkerung möchte auch den Schrecken der Mauer besser nachvollziehen können. Werden Stacheldrahtrollen und Selbstschussanlagen wieder aufgebaut?

Man kann Grauen nicht reinszenieren. Eine Darstellung der Ausbaustufen, wozu unterschiedliche Mauertypen und Hindernisse gehören, kann ich mir durchaus vorstellen. Ich verstehe sie aber als Sachzeugnisse, zu denen ein informierter Mensch auch emotionale Distanz gewinnen kann. Möglichst viel Grauen ist nicht gleichbedeutend mit möglichst viel Erkenntnis. Es geht nicht um Foltertourismus, sondern um historische Aufklärung.

Der Bundestag hat sich vor zwei Wochen für ein Denkzeichen an die deutsche Teilung und Überwindung am Brandenburger Tor ausgesprochen. Droht damit nicht die Bernauer Straße ins Abseits zu geraten?

Nein, der Bundestag hat sich ausdrücklich für eine Stärkung der Bernauer Straße ausgesprochen. Dieser zweite Teil des Beschlusses ist leider nicht so von der Öffentlichkeit beachtet worden. Mit der Erweiterung des Geländes und der Verkehrsanbindung durch die neue Straßenbahn wird der Eindruck, sie sei nicht zentral, aufgehoben. Und schon jetzt liegt sie nur drei S-Bahn-Stationen vom Brandenburger Tor. Die Mauer hat die ganze Stadt durchschnitten. Deswegen muss dezentral an mehreren Orten erinnert werden. Richard von Weizsäcker hat ja gesagt: Die deutsche Frage ist so lange offen wie das Brandenburger Tor zu ist. Insofern ist es mit seiner einzigartigen Umstellung durch die Mauer ein wichtiger symbolischer Ort, an dem erinnert werden muss. Dies werden wir sehr anschaulich im künftigen U-Bahnhof Brandenburger Tor tun und auch dort erläutern, wie man von dort zu den Orten kommt, wo die Mauer im Original zu sehen ist und wo deren Geschichte erzählt wird.