Nie wieder Betriebsanweisung

Im Café „An einem Sonntag im August“, dessen Betreiberin Dealer anhand ihrer Hautfarbe erkennen wollte, diskutiert ein Podium politisch korrektes Verhalten. Davor demonstriert das Aktionsbündnis „Nie wieder Sonntag“ gegen Rassismus im Kiez

VON ANDREA WALTER

Marie Makulla schiebt ihr Fahrrad mit den übrigen Demonstrierenden mit. Die 18-Jährige wohnt nicht weit von der Ecke, an der die Kastanienallee in die Schönhauser Allee mündet. Die Kreuzung vor dem Café „An einem Sonntag im August“ ist zum Kundgebungsort geworden, an diesem Sonntag stehen junge Menschen um einen Infostand über „Rassismus im Kiez“, die Demo zieht durch die Oderberger, und das Aktionsbündnis „Nie wieder Sonntag“ verliest Stellungnahmen zu allgemeinen rassistischen Denkweisen.

Auch Makulla hat von der skandalösen Dienstanweisung der Wirtin Claudia Humeniuk, der Betreiberin des Cafés „An einem Sonntag im August“, gehört. „Das hat sich wie ein Lauffeuer rumgesprochen“, erzählt sie. Man könne die ganze Sache ja als banal betrachten, meint sie, aber „ich möchte mich gegen die rassistischen Formulierungen aussprechen“. Auch Martin, der seinen Namen nicht nennen will, ist mit Freunden zu der Demo gekommen, an der laut Schätzungen der Polizei 170 Menschen teilnehmen. „Es geht mir neben dem konkreten rassistischen Vorfall auch um die rassistische Vergesellschaftung“, sagt der 24-Jährige aus Friedrichshain.

Mit rassistischem Vorfall ist die interne Dienstanweisung gemeint, die Humeniuk Anfang April am schwarzen Brett ihres Cafés aufgehängt hatte (die taz berichtete). Darin hatte sie „schwarze Jugendliche, höchstens 25 Jahre alt“ als potenzielle Drogendealer diffamiert, die man daran erkenne, dass sie keine „klugen Augen“ hätten. Ihnen sei Hausverbot zu erteilen. Publik wurde die Formulierung erst Ende Juni, nachdem eine Mitarbeiterin des Cafés gekündigt hatte. Zwar hat sich Humeniuk inzwischen entschuldigt, gleichzeitig aber einen bekannten Anwalt eingeschaltet, um sich unliebsame Medienberichte vom Hals zu halten.

Vor dem Café schallt aus den Lautsprechern „Sabotage“ von den Beastie Boys, während drinnen eine andere Gruppe, die Initiative „Prenzlberger Debatten“, das Podium aufbaut für die Gäste der Diskussion „Politisch korrekt? Rassismus und Alltag“. Dort diskutieren wenig später der grüne EU-Parlamentarier Cem Özdemir, die Leiterin der Amadeu-Antonio-Stiftung, Anetta Kahane, sowie Dierk Bostel vom Zentrum für demokratische Kultur, die taz-Journalistin Adrienne Woltersdorf und der Kommunikationsforscher Jens Kapitzky über Rassismus im Alltag. Ein weißes Podium, frei von Betroffenen, wie schon bald vom Publikum moniert wird.

Obwohl sowohl Özdemir als auch Kahane deutlich sagen, dass für sie die Dienstanweisung klar rassistisch sei, kippt nach der Halbzeit die Stimmung im überfüllten Café. Das Publikum, zumeist Demonstranten von draußen, findet es völlig daneben, dass in diesem Etablissement überhaupt noch diskutiert wird. „So zwingt man mich als schwarze Deutsche auch noch, hierher zu kommen“, kritisiert eine Diskutantin. Ein anderer junger schwarzer Teilnehmer fordert die Betreiberin auf, zum Podium zu kommen und sich laut und deutlich zu entschuldigen. „Entschuldigen! Entschuldigen!“, brüllt zur Unterstützung das Publikum. Humeniuk lässt sich nicht blicken, angeblich haben Veranstalter und Polizei ihr davon abgeraten.

Die Stimmung ist aufgeheizt, Cem Özdemir erklärt, dass Rassismus immer dort anfängt, wo man aufhört, von Individuen zu sprechen. Doch im Café fallen sich längst Demonstranten und genervte Kaffeehausanhänger ins Wort, ein Betrunkener wird vom Podium gezerrt, und als die Veranstalter den Diskutanten am Ende auch noch Blumen überreichen, stöhnt eine Frau: „Auch das noch, ich fass es nicht!“