Warmlaufen zum Zapfenstreich

Erneut werden heute am Berliner Amtssitz des Verteidigungsministeriums Bundeswehrrekruten ihr traditionelles Gelöbnis ablegen. KriegsgegnerInnen demonstrieren wieder draußen auf der Straße

von FELIX LEE

AntimilitaristInnen blasen zum Zapfenstreich. Wie schon in den vergangenen Jahren wollen die KriegsgegnerInnen auch am heutigen 20. Juli zum Dienstsitz des Verteidigungsministeriums am Bendlerblock ziehen, um gegen das nicht mehr ganz so öffentliche Gelöbnis von Bundeswehrrekruten zu protestieren. „Das Gelöbnix ist eine der wenigen Demos in Berlin, die ihr Ziel bereits mit der Anmeldung erreicht hat“, sagte Ralf Siemens, Sprecher der „Kampagne gegen Wehrpflicht, Zwangsdienste und Militär“. Wieder müssten sich die Rekruten in den abgeschirmten Innenhöfen des Verteidigungsministeriums verschanzen. Von öffentlichem Gelöbnis könne keine Rede mehr sein.

Während bis vor sechs Jahren die Gelöbnisse immer auf öffentlichen Plätzen stattfanden, hatte 1999 der damalige Verteidigungsminister Rudolf Scharping (SPD) das militaristische Ritual an den Ort verlegt, der symbolisch für das misslungene Hitler-Attentat von 1944 steht. Im Bendlerblock hatten viele der Widerstandskämpfer um Claus Graf Schenk von Stauffenberg ihre Diensträume. Stauffenberg und drei Mitverschwörer wurden in der Nacht des gescheiterten Aufstands im Hof des Bendlerblocks erschossen.

61 Jahre später stelle sich die Bundeswehr in die Tradition von „vermeintlichen Antifaschisten“, heißt es in dem Aufruf der ALB, Berlins größter Antifa-Gruppe, die ebenfalls zum Protest aufruft. Verschwiegen werde dabei jedoch, dass es sich bei diesen Widerständlern selbst um Kriegsverbrecher handele, die den Vernichtungskrieg lange Zeit mitgetragen haben. Die ALB sieht in dem Gelöbnis ein Bestreben der Bundesregierung, die Bundeswehr von einer ursprünglich reinen Verteidigungsarmee zu einer Interventionsstreitmacht zu verwandeln, die auf deutsche Kriegseinsätze im Ausland abzielt.

In den vergangenen Jahren war es einzelnen AktivistInnen immer wieder gelungen, auf das abgeriegelte Gelände zu gelangen. 1999 rannten BundeswehrgegnerInnen gar nackt über den Innenhof. Um solche Bilder in diesem Jahr zu verhindern, sollen vermutlich wieder etwa 1.000 Polizisten das Gelände rund um den Bendlerblock weiträumig absperren. Die genaue Zahl der eingesetzten Beamten wollte die Polizei nicht nennen. Geschützt werden müssen in diesem Jahr nicht nur die 320 Rekruten der Bundeswehr, sondern auch Norwegens Ministerpräsident Kjell Magne Bondevik und 150 Soldaten der königlichen Garde, die der traditionellen Zeremonie beiwohnen wollen. Auf der Gegenseite haben die Demo-Veranstalter einen Zug angemeldet, der um 17 Uhr am S-Bahnhof Friedrichstraße losgehen und über die Leipziger Straße und den Potsdamer Platz bis 250 Meter vor den Bendlerblock führen soll. Ralf Siemens von der „Kampagne“ rechnet mit etwa 400 TeilnehmerInnen – weit weniger als in den Vorjahren. Beim diesjährigen Gelöbnix handele es sich ja auch bloß um ein Warm-up. Zu ihrem 50-jährigen Jubiläum im Oktober plant die Bundeswehr einen Zapfenstreich vor dem Reichstag. Dann wollen die KriegsgegnerInnen mehr Präsenz zeigen. Offensichtlich müssen auch sie mit ihren Ressourcen haushalten.