Feuer für den Wahlkampf

Neonazis nutzen Jahrestag der alliierten Luftangriffe auf Hamburg für ihre Propaganda und marschieren am Sonnabend zu einem Mahnmal an der Mundsburg. Ein Bündnis aus Parteien, Antifa und Gewerkschaften ruft zu Gegendemonstrationen auf

von Andreas Speit

Auf dem Mahnmal aus Backstein stehen die Worte „Nie wieder Krieg. Nie wieder Faschismus“. Es steht zwischen dem Einkaufszentrum Hamburger Straße und der U-Bahn-Station Mundsburg und soll an die Hamburger Opfer der alliierten Luftangriffe erinnern. Bei dem „Unternehmen Gomorrha“ starben zwischen dem 25. Juli und 2. August 1943 etwa 34.000 Menschen durch die Bomben. Am Sonnabend soll vor dem Mahnmal, das allen Opfern des Nationalsozialismus gewidmet ist, ein Neonazi-Aufmarsch enden. Die Rechten wollen den Jahrestag des Feuersturms für den Wahlkampf nutzen. Doch dagegen regt sich hamburgweit massiver Widerstand.

Ein breites Bündnis aus Gewerkschaften, Parteien, der Vereinigung der Verfolgten des Nazi-Regimes und des Antifaschistischen Bündnisses Hamburg hat gestern zur Gegendemonstration aufgerufen. Bereits 2003 anlässlich des 60. Jahrestags der Bombardierung hatten Neonazis mit einem Marsch in den Stadtteilen östlich der Alster bei den Anwohnern Anklang zu finden versucht. Hammerbrook, Hamm und die angrenzenden Gebiete waren durch die Angriffe am stärksten zerstört worden.

Die GAL-Fraktion im Bezirk Nord warnte jetzt, die „Neonazi-Gruppen versuchen erneut, das Gedenken der Bombenopfer für ihre Zwecke zu instrumentalisieren“. Fraktionschef Holger Koslowski kritisierte, die Rechten wollten die Botschaft des Mahnmals „umdeuten, indem sie heuchlerisch und einseitig an die deutschen Opfer des Zweiten Weltkriegs erinnern, ohne darauf einzugehen, dass dieser Krieg von Deutschland ausging“. Die Vorsitzende der Wahlalternative (WASG) in Mitte, Ianka Pigors, sagte: „Dieses Thema schieben die Neonazis vor, um ihre Inhalte wie Rassismus und Antiamerikanismus zu verkünden.“

Den Aufmarsch der Neonazis vor zwei Jahren setzte die Polizei mit Wasserwerfern und Schlagstöcken durch. Mehr als 500 Demonstranten hatten sich den etwa 130 Neonazis entgegengestellt. Zum 61. Jahrestag trat das „Aktionsbüro Norddeutschland“ um Thomas Wulff dann stiller auf: Um Protest zu vermeiden, hatte es intern zu einer Veranstaltung in der „Ehrengruft für die Bombenopfer“ auf dem Ohlsdorfer Friedhof geladen.

Zu dem Aufmarsch an diesem Sonnabend mobilisiert das „Aktionsbüro“ bereits seit Wochen. Für die USA als „treibenden Kraft des Weltkriegs“ habe sich der „Luftterror“ ausgezahlt, „denn durch den gewonnenen Krieg konnte sie ihre Macht in Europa festigen“, heißt es im Aufruf. Die Organisatoren erwarten bis zu 400 „Kameraden“. „Zu hoch geschätzt“, meinte hingegen Verfassungsschutz-Vizechef Manfred Murck gegenüber der taz.

Bei Neonazi-Aufmärschen anlässlich der Bombardierungen war bisher kaum Zulauf aus der Mitte der Gesellschaft zu beobachten. Begriffe der Rechten wie „Bomben-Holocaust“ kommen aber an, wie eine aktuelle Umfrage von Infratest dimap zeigt: 27 Prozent der Deutschen unter 30 und 15 Prozent der über 60-Jährigen störe nicht, dass mit diesem Wort die alliierten Bombardements mit der nationalsozialistischen Judenverfolgung gleichgesetzt wird, lautete das erschreckende Ergebnis.

Infoveranstaltung gegen den Aufmarsch: morgen, 19 Uhr im Esperanto-Haus, Claus-Groth-Str. 95. Gegendemos am Sonnabend, 10.30 Uhr, Hachmannplatz und 11 Uhr U-Bahn Hammer Kirche