Sex, Wahn, Mutti

Franziska K. Müller ist Junggesellin und lamentiert sich was über Mütter zurecht

Welch unsagbar quälende Tortur: Beim Telefonieren wurde der Prosecco warm

Moderne Eltern halten sich für die besseren Menschen, die Kinderlose wegen deren Reproduktionsunwilligkeit prinzipiell verurteilen. Solcherart Unfug postulierte neulich die Schweizer Weltwoche und ließ diese steile These in einem zur Topstory aufgeblasenen Lamento von einer Franziska K. Müller ausgiebig begreinen. Besonders die Muttis, so die auf ziemlich zornig gewickelte Müllerin, entfalteten in ihrem militanten Enthusiasmus einen gleichsam sektiererischen Eifer. Die offenkundig brutlose Junggesellin fühlt sich davon schwer belästigt: „Müssen sie (die Muttis) den Kinderlosen andauernd zu verstehen geben, daß ein von Stundenplänen, Monogamie und Legomonstern geprägtes Leben moralisch wertvoller sei als ein unbeschwertes Junggesellinnen-Dasein?“, quietscht sie so angestrengt junggesellig herum, als gelte es, eine Hauptrolle in der Altgesellinnen-Soap „Sex in the City“ zu ergattern.

Entsprechend unbeschwert kommt der Junggesellin Müller Mütter-Larifari daher. Unbeschwert vor allem von jeder Relevanz und damit auch Brisanz, die sie einem so eisprunghaft unterzujubeln versucht. Keine Frage: Nervtötende Mamis gibt’s. Und auch manch Vati geht einem schwer auf den Pöter. Aber sind diese Elterntiere wirklich im Begriff und in der Lage, die Weltherrschaft zu übernehmen und das Singlepack komplett der Amoralität zu zeihen? Eben davor glaubt Franziska K. Müller mit ihrem „Kinderwahnsinn“ betitelten Leitartikel warnen zu müssen. Tatsächlich dürfte ihre wortschrille Mütterabneigung aber bloß jener Enttäuschung geschuldet sein, wie sie immer mal wieder auch Kinder mit ihren Freunden und Freundinnen erleben. Und der sich bei ihnen gern so entlädt: „Gemein! Die doofe Soundso will nicht mehr mit mir spielen.“ Kinder schreiben dann aber keine Top-Story. Sie suchen sich neue Spielkameraden.

Nicht so Frau Müller. Sie kann ihren Frust partout nicht verknusen. Statt mit ihr weiterhin den spannenden Alltag eines weiblichen Singles zu teilen – also vormittags shoppen, nachmittags ins Fitnessstudio und abends in einen Beinenthaarungsworkshop gehen – spielen jetzt einige ihrer Freundinnen lieber mit ihren Kindern. Deren daraus resultierenden Absagen an so typische Single-Unternehmungen wie stundenlang „beim Italiener“ hocken und rumkichern, ins Robbie-Williams-Konzert gehen oder einen Schminkkurs für Fortgeschrittene besuchen, deutet Franziska K. Müller kurzerhand als Angriff auf die moralische Integrität der Kinderlosen um.

Die Mittelinitialerin (K wie Kindskopf?) hat eine Reihe von Zeuginnen aufgeboten, um der Welt diesbezüglich die Augen zu öffnen. Die Namen ihrer Informantinnen hat sie aber vorsichtshalber anonymisiert. Zu immens ist wohl die Gefahr, dass sie von eifernden Muttis gestellt und in ein Gespräch verwickelt werden, in dem es nicht um so signifikante Single-Themen geht wie das gestrige Fernsehprogramm, die neuesten Shopping-Abenteuer oder Guido, den süßen, aber leider schwulen Kellner aus der Bagle-Boutique. Es sind Zeuginnen wie jene kinderlose Juristin etwa, von Müller als – nomen est hier aber so was von omen – Aline Ehrsam vorgestellt. Die kann ein gar garstig Lied über die Singlefeindlichkeit von Müttern singen. Sie wurde schließlich einmal von einer zweifachen Mutter dergestalt gefoltert, dass sie mit ihr gemeinsam in die Auslagen eines Spielwarengeschäfts blicken musste. Oder die bekennend nachwuchsunwillige Grafikerin Regula Krebs. Die musste die unsagbar quälende Tortur erleiden, wie eine Freundin während eines gemeinsamen Essens mit ihrem Dreijährigen telefonierte und darüber – o mein Gott! – der Prosecco warm wurde. Kein Wunder, dass da Frau Krebs gleich noch folgende Großstadtlegende nachlegt: In einem Restaurant, so will sie mal beobachtet haben, habe eine Mutter ihrem Nachwuchs die vollen Windeln gewechselt – und zwar auf einem Tisch, an dem gerade welche speisten. Puh!

Statt sich von ihren anonymen Informantinnen solche Kinderpistolen auftischen zu lassen, hätte sich Franziska K. Müller für ihren Anti-Eltern-Furor besser um Zuträger bemüht, die schon deshalb glaubwürdiger sind, weil sie die öffentliche Nennung ihres Namens nicht scheuen. Der zweifache Vater Fritz Tietz zum Beispiel. Der prächtig bebauchte 46-Jährige bekennt freiheraus: „Die wie auch immer gearteten Befindlichkeiten von kinderlosen Singles gegenüber Eltern und deren Anhang gehen mir – mit Verlaub – vollständig am Arsch vorbei.“ Leute, die Schwierigkeiten damit haben, dass andere Leute Kinder erziehen, interessieren Tietz nur insoweit, dass er seinen bildhübschen Töchtern ständig einbläut: „Solltet ihr später mal jemandem den Hintern abzuputzen haben, erkundigt euch vorher, ob er Kinder groß gezogen hat. Falls nicht, lasst ihn bitte in seiner Scheiße liegen.“

FRITZ TIETZ