Plattformen für Lady-Empowerment

Das derzeit in Berlin stattfindende dritte Ladyfest setzt auf die Kräfte des Popfeminismus – Glamour, Debatten, Komplexität und Philosophie

Popfeministinnen untersuchen, wie aus Riot Grrrls toughe Ladys werden können

Die Kaperung des Deutschen Künstlerbundes stieß kaum auf Gegenwehr. Kein Wunder: Sie fand in Kooperation mit der Kunstinstitution statt. Im Rahmen des Berliner Ladyfestes besetzte das Künstlerinnenduo hollyandgolly vergangene Woche den Projektraum einer der, laut Selbstbeschreibung, „ältesten und renommiertesten Künstlervereinigungen in Deutschland und Europa“. Dass die Besetzerinnen mit offenen Armen empfangen wurden, zeugt von einer gewissen Offenheit gegenüber feministischen Interventionen. Doch wie viele renommierte Einrichtungen wird auch diese von Männern dominiert: Von den 512 Mitgliedern sind nur 154 Frauen.

Gegen diese realen Patriarchismen setzen die Künstlerinnen Annette Hollywood und Anna Gollwitzer die Kraft des Popfeminismus: Glamour, Komplexität und Philosophie. Die ausgestellte Installation der Künstlerin Anna Myga Kasten verwandelt ineinander verknotete Schlauchboote in etwas Abstraktes und weist so auf eine mögliche Neuordnung der Dinge. Parallel zur Vernissage in Mitte wurde im Rahmen des Ladyfestes eine Ausstellung in der Friedrichshainer Kinzigstraße eröffnet. Jenni Rammes Fotografien porträtieren die polnischen Drag Kings Morpheusz, Dionysos und Delicates und dokumentieren Bridge Marklands Transformation in einen Mann. Während diese Fotoserie auf die Transgression von Geschlechterzuordnungen setzt, erzählen die mit „Prinzessinnen“ betitelten Fotos vom Verhaftetsein in Geschlechterklischees. Wie anstrengend die Kritik an Stereotypen sein kann, demonstrierte der audiovisuelle und folkloristische Krach der Musikerinnen von SelfHelp und parabells bei dem sich an die Ausstellung anschließenden Konzert.

Bereits der Auftaktabend des Ladyfestes, das zum dritten Mal in Berlin nahezu ohne finanzielle Mittel und mit umso mehr Engagement auf die Frauenbeine gestellt wird, zeigte, dass das Ladyfest eine Plattform bietet, auf der nicht nur an geschlechteridentitären Zuweisungen, sondern auch an den Grenzen künstlerischer Genres gerüttelt werden soll. Diese Idee verbindet das Ladyfest Berlin mit zahlreichen weltweit stattfinden Ladyfesten, die zum ersten Mal vor fünf Jahren in Olympia (USA) aus dem Riot Grrrl eine toughe Lady machten, während im Mainstream der Girlism boomte. Mittlerweile wird auf Ladyfesten in über 20 Orten Nord- und Südamerikas, Ost- und Westeuropas und Australiens feministische und queere Kunst, Literatur und Musik präsentiert und Lady-Empowerment jenseits biologischer Zuordnungen betrieben.

In Berlin können bis zum 13. August in Workshops die Skills erlernt werden, die die Lady von heute beherrscht: Breaken, DJen, Writen, Filme schneiden und Comics zeichnen, aber auch traditionellere Handwerke wie Nähen und Gärtnern unter dem schicken Label „Urban Gardening“.

Doch nicht nur learning by doing, doing by doing und being by doing sind gefordert, sondern frau kann auch zahlreiche Konzerte, Filme und weitere Ausstellungen konsumieren und auf Partys ihren Spaß haben. Damit sich nicht wiederholt, was im letzten Jahr auf Ladyfest-Events einer entspannten Party zuwiderlief – sexistische Pöbeleien seitens der auf den meisten Veranstaltungen zugelassenen männlichen Gäste –, gibt es in diesem Jahr eine aufmerksamere Türpolitik, Flyer, in denen zu Respect und nichtsexistischem Verhalten aufgerufen wird, und Infotischpersonal, das Unterstützung im Falle von Belästigungen anbietet.

Neben dieser antisexistischen Praxis bietet die Berliner Gruppe „Sexism and the Media“ ein Diskussionsforum, in dem aktuelle Medientrends auf ihre sexistischen und rassistischen Implikationen hin theoretisch analysiert werden. Bereits in den vergangenen Monaten hat die Gruppe mit Infoveranstaltungen auf (neo-)sexistische Tendenzen in der Werbung, dem so genannten Postfeminismus à la Generation Ally und neuem deutschen HipHop hingewiesen. Dass (immer wiederkehrende) populäre Trends, die propagieren, dass Ultrasexismus witzig, provokativ oder Garant für Street Credibility sei oder Pornografie eigentlich der sexuellen Befreiung diene, schlichtweg dumm bis reaktionär sind, ist keine Frage. Offene Fragen in feministischen Debatten um geschlechterstereotypische Popkultur sind jedoch, ob sexistische Bilder tatsächlich als normative Handlungsanweisungen verstanden werden können oder ob sie nicht einfach innerhalb eines Zeichensystems funktionieren, das mit der alltäglichen Realität herzlich wenig zu tun hat. Und im Umkehrschluss würde auch der eigene Umgang mit Dresscodes nicht zwangsläufig zur Gesinnungsfrage werden. Schließlich haben linke und feministisch-queere Subkulturen selbst Codes produziert und Räume geschaffen, die monokulturell bis ausgrenzend wirken können und dazu führen, dass nicht jede, die sich als Lady begreift, auch Teil des Ladyfestes wird.

MICHAELA WÜNSCH

Infos unter: www.ladyfest.net oder in der homebase, Kinzigstr. 9, täglich 14 bis 20 Uhr, bis zum 12. 8.