Das Elend der Union
: Kommentar von Stefan Reinecke

Die Union, war gestern von Angela Merkel und Edmund Stoiber zu erfahren, will „kämpfen“. Sie will verstärkt auf die „negative Bilanz“ der Regierung hinweisen und in die Offensive gehen. So klingen keine Politiker, die wissen, dass sie gewinnen werden. So klingen Verunsicherte, die sich selbst gut zureden und sich noch an die abgedroschenste Floskel klammern, um eine böse Ahnung zu vertreiben – dass es mit dem sicher geglaubten schwarz-gelben Wahlsieg nichts werden könnte.

 Die Union will Rot-Grün angreifen. Das wird ihr nicht viel nutzen. Dass die rot-grüne Wirtschaftsbilanz trübe ist, weiß jeder. Die Wähler wollen Rot-Grün nicht mehr. Und es wird sie kaum beeindrucken, wenn die Union ihnen das ganz doll laut jeden Tag sagt. Neu ist, dass die Wähler Schwarz-Gelb vielleicht auch nicht wollen. Dazu fällt der Union nichts ein.

 Gewiss hat der Sinkflug der Union in den Umfragen von fast 50 auf gut 40 Prozent mit ein paar akuten Fehlern zu tun. Mit Schönbohms Anti-DDR-Hauruck-Rhetorik, mit Stoibers Taktiererei, der nicht sagt, was er will. Gefährdet ist der Sieg der Union aber nicht wegen schlechter Tagesform. So etwas passiert und wird wieder vergessen. Das Elend der Union reicht tiefer. Die CDU hat gegen die SPD mehr als ein Dutzend Landtagswahlen gewonnen, weil viele frustrierte SPD-Wähler für sie votierten, vor allem Arbeiter. Das war eine Art paradoxe Protestwahl – enttäuscht von Hartz IV wählte man dessen verschärfte Fassung. Dieser Zustrom ist verebbt, seit Lafontaine die Linkspartei auf die Bildschirme gepusht hat.

 Der wahre Grund, warum die Union leise Panik haben darf, liegt noch tiefer. Selbst als sie Landtagswahlen glänzend gewann, hatte sie keine Mehrheit für ihre Politik – für Kopfpauschale oder Mehrwertsteuererhöhung. Sie siegte, weil sie die vage Hoffnung mobilisierte, dass sie für die Wirtschaft besser wäre als Rot-Grün. Aber darauf, dass die Leute stets für eine luftige Hoffnung und gegen ihre Interessen wählen, ist kein Verlass. Zumal Angela Merkel, für die Brutto und Netto schwieriges Gelände ist, daran arbeitet, das Bild von der ökonomische Wunder bewirkenden Union zu erschüttern.

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