Arbeitsagentur hat Vermittlungsproblem

Die Bundesagentur für Arbeit weiß nicht, wem sie bereits einen Ein-Euro-Job vermittelt hat und wem noch nicht. Die Datensätze beim Arbeitslosengeld II sind fehlerhaft. Mit einer Telefonaktion versucht man, das zu beheben. Datenschützer sind entsetzt

AUS NÜRNBERG MAIKE DIMAR

Morgens 7 Uhr 30. Noch vor dem Wecker klingelt das Telefon, eine Callcenter-Stimme dringt ins verschlafene Ohr: Sie rufe im Auftrag der Bundesagentur für Arbeit an und brauche einige Daten – ob man dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stehe, ob man vielleicht schon einen Job habe, vielleicht gar einen von der Arbeitsagentur vermittelten? Bundesweit klingelten in den vergangenen Tagen bei insgesamt 350.000 Empfängern von Arbeitslosengeld II die Telefone.

Der Bundesagentur für Arbeit (BA) war aufgefallen, dass 21 Prozent ihrer Datenblätter über Alg-II-Empfänger fehlerhaft sind. Ein Callcenter verglich die Daten, Ergebnis: Von den 180.000 Menschen, die man tatsächlich erreichte, standen 5 Prozent dem Arbeitsmarkt gar nicht zur Verfügung.

Die Befragung sofort zu stoppen fordert der Bundesbeauftragte für den Datenschutz, Peter Schaar. Zumindest bis alle vorab schriftlich informiert sind. „Der Betroffene sollte sich in aller Ruhe darüber Gedanken machen können, ob er an dieser Befragung teilnimmt oder nicht“, meint Schaar. Der Aufwand sei zu groß, befand BA-Chef Frank-Jürgen Weise. Auch sei die Missbrauchsgefahr gering. Zufrieden gibt sich Schaar damit nicht. Es gehe um sensible Sozialdaten, bei denen der Datenschutz penibel eingehalten werden müsse. Personen, die sich „in der Obhut der Bundesagentur für Arbeit befinden, müssten auch als Träger von Grundrechten ernst genommen werden“.

Die Beantwortung sei freiwillig, rechtfertigte sich Sprecherin Ilona Mirtschin. Doch genau dieser Hinweis fehlte oft. Bei der Bundesarbeitsgemeinschaft der Erwerbslosen- und Sozialhilfeinitiativen häufen sich Beschwerden, dass von Freiwilligkeit keine Rede ist und Angerufene durch ungeduldiges Nachfragen und den Kommentar, sie kämen auf eine „Verweigerer-Liste“, zur Auskunft gedrängt würden.

Noch ein zweiter Punkt ist an der Telefonaktion höchst bedenklich. Wie sollen die Betroffenen wissen, dass kein Trittbrettfahrer private Daten ausschnüffeln will? Ilona Mirtschin empfiehlt, sich die eigene BA-Kundennummer nennen zu lassen. „Ist der Callcenter-Agent dazu nicht in der Lage, dann schlicht und ergreifend: Auflegen!“

Ob alle auf diese Idee kommen? Bundesdatenschützer Schaar bezweifelt das: „Wenn der Betroffene mit dem Anruf kalt erwischt wird, denkt er häufig an genau solche Dinge nicht.“ Schaar sorgt sich auch um die Weitergabe der sehr persönlichen Daten an ein Callcenter. „Das heißt, es erfahren nicht nur die Beamten und Angestellten der Bundesagentur oder der Arbeitsgemeinschaften aus Agenturen und Kommunen von der Tatsache der Arbeitslosigkeit, sondern auch noch Dritte“, moniert Schaar.

Die Anrufe seien keine Schikane, verwahrt sich die BA gegen Angriffe. Man befinde sich in einer „Ausnahmesituation“. Die Einführung des Arbeitslosengeldes II habe viel Arbeit gemacht und vieles sei dabei nicht optimal gelaufen. Außerdem hätten die Mitarbeiter Probleme mit den Computerprogrammen. Die Folge: fehlerhafte Datensätze. Man habe nach einem Weg gesucht, dies schnell zu beheben, hieß es. Man wolle den Betroffenen schließlich zügig helfen. Doch darauf warten viele vergeblich und ärgern sich, dass die BA auf ihrem Rücken eigene Fehler auszubügeln versucht.

Abgeschlossen ist die Telefonaktion nicht. Nicht alle Arbeitsgemeinschaften, die für die Betreuung der Arbeitslosengeld-II-Empfänger zuständig sind, haben das Angebot des BA-Vorstands angenommen. Man wolle es den übrigen nun noch einmal antragen, so ein Sprecher. Es wird also weiter unliebsame Anrufe geben.