Frauen an die Flasche

Deutsche Brauereien wollen mit einer neuen Strategie den Biermarkt wieder beleben: Sie setzen auf extra milden Geschmack. Zielgruppe der Offensive: Mädchen und Frauen

VON DAVID DENK

„So, das muss jetzt mal sein, ist ja ein Männerblog. Beck’s Gold ist ein Mädchenbier. Basta.“ Um seinen Worten Nachdruck zu verleihen, hat Jan Moryson die Abbildung des Beck’s-Gold-Etiketts mit der Website www.eigenurin.de verlinkt. Eine gewisse farbliche Ähnlichkeit besteht – allerdings auch mit klassischem Pils: Männerbier, wenn man Morysons Verständnis folgt. Doch warum so abwertend? Ist es nicht toll, dass Mädchen immer mehr Bier trinken, seitdem sie durchs Weißglas sehen können, was drin ist: ein güldener Nektar?

Papperlapapp: „Man sollte an den Marken, auf die man sozialisiert wurde, nicht mehr großartig rütteln“, schreibt Moryson in seinem Weblog weiter. „Bei mir sind das Königsbacher, Bitburger und auf Grund familiärer Wirrungen auch noch Guinness.“ Was wohl seine Freundin trinkt – oder besser: trinken darf?

Seit Juni 2002 ist Beck’s Gold auf dem Markt, zunächst nur in der Gastronomie, die Beck’s-Sprecher Michael Hoffmann gar nicht „szenig und lifestylig“ genug sein kann, im Februar 2003 kam das Bier dann in den Handel. Dort kaufen es laut Hoffmann „aktive, weltoffene Konsumenten, denen Beck’s Pils zu herb ist und die sich von unserer starken Marke angesprochen fühlen“. Das Konzept scheint aufzugehen: Das Trio aus Pils, Gold und Alkoholfrei erhöhte seinen Absatz 2004 um 11,2 Prozent; Branchenkenner vermuten mangels aufgeschlüsselter Zahlen, dass Beck’s Gold daran einen überproportionalen Anteil hat.

Erst gestern gab der Bundesverband der Deutschen Spirituosen-Industrie und -Importeure e. V. eine Pressemitteilung heraus, nach der der Alkoholkonsum der Deutschen weiter rückläufig ist. „Die Ursachen dürften nicht zuletzt in der Konjunkturflaute und im anhaltenden Teuro-Schock liegen“, heißt es darin. Zweckoptimistisch beschwört der Verband den Alkoholgenuss in den eigenen vier Wänden: „Trautes Heim statt Kneipe und Disco.“ Doch das hilft alles nichts, denn der Konsum der Deutschen sinkt unbeirrt weiter – beim Bier im Jahr 2004 auf 115,8 Liter durchschnittlich (Vorjahr: 117,7 Liter). Der Chef der Biersparte von Marktführer Oetker (Radeberger, Jever, Schöfferhofer), Ulrich Kallmeyer, begründet die Absatzkrise mit der rückläufigen Bevölkerungsentwicklung, Promillegrenzen für Autofahrer und veränderten Konsumgewohnheiten.

Kein Wunder also, dass die deutschen Brauereien schamlos das Erfolgsmodell „mildes Bier“ kopieren – und es trotzdem mit den Worten „ein ganz neues Geschmackserlebnis, ein ganz neuer Biergenuss“ (Mitbewerber Krombacher Extra Mild) bewerben. Viel vom neuen Konzept erhofft sich auch Peter Hahn, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Brauer-Bundes, der – ganz Medienprofi – am liebsten „Freibier“ trinkt. Ein Kalauer, der keine weiteren Fragen nach seiner Lieblingsmarke zulässt. Wer doch nachhakt, hört nur: „Wenn das ordentlich gezapft ist und schön gekühlt, trinke ich, was kommt.“

Hahn lobt die Vielfalt der deutschen Biere, etwa 5.000 Sorten aus 1.275 Brauereien, „die ich leidenschaftlich gerne ausprobiere“. Deswegen trinkt er beizeiten auch mal Flaschenbier – auch wenn er sich nicht der Zielgruppe zugehörig fühlt: „Es gibt ja so Szenekneipen, wo junge Leute das cool finden, Bier aus der Flasche zu trinken.“ Woher kommt dieser Trend? „Wenn ich das wüsste, könnte ich in der Brauereiwirtschaft viel Geld verdienen.“ Und dann sagt er doch noch was Aufschlussreiches: „Manche Biere werden in Lokalen kaputtgemacht.“ Hahn führt sporadisch gereinigte Zapfanlagen, mangelnde Kühlung und besonders das „Sieben-Minuten-Pils“ an. „Dann ist doch die ganze Kohlensäure raus.“

Das angestaubte Image des nach alter Väter Sitte gezapften Pils ist allerdings nicht der einzige Grund für den Siegeszug der Longneck-Flasche. „Um heute am Markt erfolgreich zu sein, brauchen Sie Produkte, die relativ unkompliziert konsumierbar sind“, sagt Norbert Lindhof, Geschäftsführer der Werbeagentur Y&R Germany. Flaschenbier erfüllt dieses Kriterium der Praktikabilität und kommt damit den Bedürfnissen von Szenegastronomie und privaten Feiern gleichermaßen entgegen. Ein Fass lässt sich eben wesentlich schwieriger kühlen als eine Kiste Bier. Damit erklärt Branchenkenner Lindhof, der schon für König Pilsener, Kelts, Henninger und Jever geworben hat, auch die Schwierigkeiten der mexikanischen Marke Corona auf dem deutschen Markt, die eigentlich schon vor Beck’s Gold auf die neue Leichtigkeit gesetzt hatte, sich aber nicht durchsetzen konnte: „Corona ist an selbst auferlegten Limitationen gescheitert – genauer an der Limette im Flaschenhals.“ Den meisten anderen milden Bieren stellt Lindhof allerdings eine optimistischere Prognose: „Zumindest bei den Fernseh-Marken bin ich mir ziemlich sicher, dass sie sich etablieren können“, obwohl er grundsätzlich künftig mit „sehr viel kürzeren Lebenszyklen“ rechnet. Entgegen der Darstellung des Brauer-Bundes profitieren die milden Biere laut Werber Lindhof glasklar von der Sondersteuer auf Alcopops, die seit dem 29. Juli 2004 aus Jugendschutzgründen erhoben wird. „Aber das hängt man wohl aus politischen Gründen nicht so hoch.“

Das Gleiche gilt für den Kaloriengehalt (ca. 225 Kalorien auf 0,5 Liter) – ein Totschlagargument auch gegen milde Biere. Bleibt ein Problem: Light-Biere wie Warsteiner HiLight („Mach ’ne gute Figur, frischer Geschmack, 30 Prozent weniger Kalorien“) sind keine Lösung, noch nicht mal für Mädchen.