Das Lachen Gottes

Ausgerechnet der Satiriker Tony Hendra gesteht in seinem selbstironischen autobiografischen Buch: Ohne „Father Joe“ wäre er verloren

VON PHILIPP GESSLER

„Father Bleary wandte sich mir zu, sein erschlafftes Gesicht besprenkelt mit trockenem Blut von einer hastigen Rasur in einem schlecht beleuchteten Badezimmer. Das wenige Haar, das ihm verblieben war, hatte die Farbe von nassem Rattenfell, seine alten, fleischig-keltischen Hände zitterten von dem Whisky, der am Abend zuvor für kurze Zeit Tod, Versagen und Verzweiflung in Schach gehalten hatte.“ So beschreibt Tony Hendra eine seiner ekligsten Erfahrungen als Messdiener mit einem aus dem Mund stinkenden Dorfpfarrer.

Wer schreibt da so deftig, wer ist dieser Tony Hendra? Der Autor zählt zu den bekanntesten Satirikern des angelsächsischen Raums. Geboren 1942 in England, war er lange Jahre Chefredakteur von Spy und National Lampoon, arbeitete früh mit Monty-Python-Stars wie John Cleese zusammen und hat die Puppen-Politsatire Spitting Image mit erfunden. Kaum verwunderlich, dass sein neuestes Buch „Father Joe“ ein Bestseller und in den USA in fünf Monaten 400.000-mal verkauft wurde.

Hendra erzählt darin, wie ihm der englische Mönch Father Joe über vier Jahrzehnte Beichtvater, aber auch Freund gewesen ist: „Der Mann, der meine Seele rettete“, eben, wie es so schön pathetisch im Untertitel heißt. Es ist also ein sehr katholisches Werk mit einem gewichtigen Thema – und dennoch unglaublich komisch und böse.

Schwach sind leider ausgerechnet die ersten Seiten des Buches: Father Joe, der bis zu seinem Tod 1998 in einer südenglischen Benediktinerabtei lebte und arbeitete, wird hier zugleich von Hendra als „Heiliger“ geschildert. Das schreckt zunächst ab, denn Heiligengeschichten haben in der Regel den Geruch moralinsaurer Botschaften an sich. Doch nach dieser Hommage an den verstorbenen Freund legt Hendra richtig los.

Der 14-jährige Hendra lernt Father Joe bei einer seltsamen Buß- und Beichtfahrt kennen, nur vorstellbar in der katholischen Welt vor 50 Jahren. Der Junge unternimmt sie erzwungenermaßen mit einem zum Katholizismus konvertierten Mann. Denn: Mit dessen Frau hatte der junge Hendra, schlecht katholisch, eine verklemmte Affäre – „mit meinen ehebrecherischen Fingern, die sich millimeterweise in die Vagina der Ehefrau eines anderen Mannes schoben“, in den expliziten Worten des Autors. Die Beichte bei Father Joe verändert Hendras Leben, weil der Mönch ihn nicht verurteilt. Stattdessen vermittelt er ihm, dass nicht diese Tat, sondern seine „Sssselbstsucht“, wie der etwas sonderliche Father Joe stottert, das Schlechte daran sei. Und Lilly, die Ehefrau, die eigentlich Geschädigte.

Hendra will daraufhin in seinem jugendlichen Elan sofort Benediktiner werden – und deshalb sogar sein Stipendium für Cambridge aufgeben. Aber Father Joe zwingt ihn geradezu, nach Cambridge zu gehen. An der Universität erlebt Hendra dann seine zweite Bekehrung: Er träumt schon bald davon, die Welt durch politische Satire zu einem besseren Ort zu machen: „Die Welt durch Gebet retten? Wohl kaum. Ich werde sie durch Gelächter retten.“

In Wirklichkeit aber entwickelt sich Hendra, wie er es heute selbst einschätzt, durch Egozentrik, Verantwortungslosigkeit gegenüber seiner ersten Frau samt Kindern und jede Mengen Drogen zu einem rechten Arschloch: „Ich war einer der verrücktesten, unglücklichsten, rachsüchtigsten und unzuverlässigsten Menschen, die ich kannte.“ Oder britisch-knapper: „eine ziemlich unerfreuliche Person“.

Father Joe öffnet Hendra erneut die Augen über sich – und verhilft ihm zu zwei bitteren Erkenntnissen: zum einen, dass Hendra besser kein Comedian sein sollte, weil er „keineswegs besonders komisch“ ist. Zum anderen, dass das über Jahre immer wiederkehrende, mal offene, mal hintergründige Liebäugeln mit einem Eintritt ins Kloster eine Art Welt- und Verantwortungsflucht war. Und hier wird es nun wirklich sehr amerikanisch: Gemeint ist nämlich, dass Hendra vor seiner Verantwortung als Ehemann und Vater flüchte.

Das ist alles sehr pathetisch – aber Gott sei Dank zugleich gebrochen mit wunderbarer Selbstironie und gelegentlichem Zynismus. So gelingt Hendra in dem Buch ein wenig die Versöhnung von Humor und Religion, ganz im Sinne des christlichen Mystikers Meister Eckhart, den er mit einer zentralen Aussage, der vielleicht schönsten Definition von Trinität, gleich dreimal, weil’s so schön ist, zitiert:

„Wenn Gott in die Seele hineinlacht und die Seele das Lachen Gottes erwidert, sind die Personen der Dreifaltigkeit erzeugt. Wenn der Vater den Sohn anlacht und der Sohn das Lachen des Vaters erwidert, gebiert dieses Lachen Wohlsein, das Wohlsein Freude, die Freude Liebe – und diese Liebe ist der Heilige Geist.“

Tony Hendra: „Father Joe. Der Mann, der meine Seele rettete. Die Geschichte einer ungewöhnlichen Freundschaft“. Aus dem Englischen von Hans Link. Herder, Freiburg 2005, 320 Seiten, 19,90 Euro