Ohne Show und Schnörkel

Wahlkampfauftakt der Linkspartei.PDS in Hamburg stößt auf große Resonanz. Drei schmucklose Stunden im dicht gedrängten Saal ohne Promis und Luftballons, dafür mit vielen Reden und viel bedrucktem Papier. Spektakulär und modern geht anders

Von Marco Carini

Kann man so im Jahr 2005 Wahlkampf machen? Ein schmuckloses Auditorium, vier RednerInnen, deren Promi-Faktor gen Null tendiert. Keine Fanfaren und als optische Anreicherung ein paar an die Wand geworfene Dias. Keine Kugelschreiber mit Parteilogo, keine Luftballons; nur bedrucktes Papier wird in Hülle und Fülle gereicht. Modern und spektakulär geht anders.

Kann man so Wahlkampf machen? Man kann – und das offensichtlich mit einigem Erfolg. Mehr als 500 Interessierte sind zum Hamburger Wahlkampfauftakt der neuen Linkspartei.PDS ins Eimsbüttler Hamburg-Haus am Donnerstagabend gekommen, um dicht gedrängt mehr als drei Stunden ohne Show und Schnörkel zu erleben. Statt der Lichtgestalten Gysi und Lafontaine reden hausgemachte KandidatInnen, biedere Rhetorik wird mit Authenzität und Witz wettgemacht. Das kommt an. Der Saal applaudiert den KandidatInnen zu. Nicht frenetisch, aber wohlwollend. Irgendwas funktioniert hier, was kein Wahlkampfmanager verordnen kann.

Norman Paech, als Völkerrechts-Professor der eingestampften Universität für Wirtschaft und Politik jahrelang das weit vernehmbare linke Gewissen der Stadt bei jedem internationalen Konflikt, geht als Spitzenkandidat zuerst in die Bütt. „Wir wollen zwölf Prozent – das ist keine Revolution und nicht das Ende des Kapitalismus, aber eine Perspektive für eine ernst zu nehmende linke Partei“, stellt er klar. Und fügt unter Beifall hinzu: „Eine Regierungsbeteiligung kommt für uns nicht in Frage.“

Sein Thema ist die Einwanderungs- und Asylpolitik in Stadt und Bund, der er „Ausländerfeindlichkeit“ attestiert, für die „man sich schämen“ müsse. Als politisches Ziel gibt der 67-jährige emeritierte Hochschullehrer vor, „die nationale Diskussion um das Selbstverständnis als Einwanderungsland“ voranzubringen. Und dann, zum Schluss, doch noch ein Slogan: „Links ist, wo keiner fremd ist.“ Das gefällt dem Publikum.

Ursula Caberta, wie Paech jahrelang SPD-Mitglied und zudem sechs Jahre lang bis 1992 Hamburger Bürgerschaftsabgeordnete, rechnet genüsslich mit Rot-Grün ab. Die Wirtschaft mit Steuergeschenken und Lohnnebenkostensenkungen zu mästen und dafür zu erwarten, dass die Unternehmen Arbeitsplätze schaffen, könne nicht funktionieren: „Gerade die Sozialdemokratie müsste doch aus ihrer eigenen Geschichte wissen, dass alle sozialen Errungenschaften nicht geschenkt wurden, sondern erkämpft werden mussten.“

Gerald Kemski, Bundessprecher der PDS-Arbeitsgemeinschaft Betrieb & Gewerkschaft, betont, dass sich „unter den 14 Hamburger Bundestagskandidaten der Linkspartei sechs aktive Gewerkschafter“ befänden. Die „Gewerkschaften nach links zu drücken, politisch zu aktivieren und mutiger zu machen“, sei eine wesentliche Funktion der neuen Formation. Das ver.di-Mitglied streitet für einen „existenzsichernden, gesetzlich verbrieften Mindestlohn, wie ihn viele unserer europäischen Nachbarn schon haben“. Eine Forderung, mit der man beim Publikum nichts falsch machen kann.

Das Schlusswort aber bleibt dem pensionierten Hauptschullehrer Horst Bethge vorbehalten, seit Jahren in der Hamburger PDS für Bildungs- und Friedenspolitik verantwortlich. Der Freund klarer Worte zitiert zur von Schwarz-Gelb aufgewärmten Volksfront-Kampagne den fast 200 Jahre alten Satz von Karl-Friedrich Wander, einem der Väter der demokratischen Lehrerbewegung: „Lieber an der Front des Volkes als im Arsch der Reaktion.“

Der frenetische Beifall lässt es ahnen: Wäre ein Großteil des Publikums nicht schon mächtig in die Jahre gekommen – es hätte wohl gerast.