Fliegen ohne die Crew

Gegen den Willen ihrer Lehrer müssen vier Pilotschulen jetzt Teile der Hamburger Berufsschulreform erproben. Betriebe haben offenbar wenig Interesse an Mitarbeit in neuen Schulvorständen. Senatorin legt Zwischenbericht vor

Bildungssenatorin Alexandra Dinges-Dierig (CDU) sieht die Reform der Berufsschulen „auf einem guten Weg“. Der Prozess sei „sehr weit vorangeschritten“, sagte sie gestern, nachdem sie einen Zwischenbericht im Senat vorgelegt hatte. Seit Schuljahresbeginn würden vier Schulen Teile der Reform umsetzen. Auch die gleichzeitige Konzeptarbeit in Projektgruppen laufe „sehr gut“. Von Lehrerseite war indes das Gegenteil zu hören.

Als Versuchsschulen hat die Behörde die Gewerbeschulen 11 und 16 sowie die Handelsschule H 18 und die Gesundheitspflegeschule W 4 bestimmt. Die Lehrer von drei der Schulen stimmten gegen die Pilotierung, die Kollegen der vierten Schule wollen sich der Gewerkschaft GEW zufolge auch verweigern.

Die Kernkritik richtet sich gegen die neue Macht der Wirtschaft in den Lehrstätten. Der CDU-Senat hat die Überführung der insgesamt 48 Schulen in ein Landesinstitut beschlossen, dem ein zur Hälfte mit Wirtschaftsvertretern besetztes Kuratorium vorsteht. Auch in den neuen Schulvorständen, die die Schulkonferenzen ersetzen, erhält die Wirtschaft 50 Prozent der Sitze. Gleichzeitig erhalten die Schulen ein eigenes Budget für Sach- und Personalmittel und erweiterte Personalbefugnisse.

Die Pilotschulen sollen zuvörderst die Vorstände etablieren. Das Verfahren sei auch seitens der Wirtschaft noch „unklar“, so Dinges-Dierig. Wie sie einräumte, sind vor allem kleinere Betriebe in puncto Vorstandsmitarbeit „zurückhaltend“. Die Innungen aber hätten großes Interesse.

Als ein weiteres Novum nannte Dinges-Dierig, dass die Pilotschulen Einnahmen generieren und selbst verwalten könnten. Geld etwa aus Vermietungen könne für Lehraufträge an externe „Experten“ verwendet werden. Konkrete Konzepte zur Umsetzung der Reform würden zurzeit in zwölf Projektgruppen von Fachleuten aus ihrer Behörde, den Schulen und der Wirtschaft „ergebnisorientiert“ erarbeitet.

Ein Schulleiter, der anonym bleiben will, kritisierte hingegen im Gespräch mit der taz: „In der Projektgruppe machen wir Papiere, die keiner braucht.“ Ein gravierender Fehler sei, dass weder Lehrer noch Schüler und Eltern dort vertreten seien. Auch führe die Behörde weder Schülerbefragungen noch Schwachstellenanalysen durch. „Lehrer und Schüler erreicht diese Reform nicht“, so der Schulleiter.

Auch der Lehrerverband bekräftigte seine Ablehnung der „Pseudopilotprojekte“. Da die Reform flächendeckend schon in einem Jahr umgesetzt werden soll, sei keine Zeit, um von den Piloten zu lernen. Das Konzept für ein Gesetz soll im Januar Schuldeputation und Senat vorliegen. Dinges-Dierig rechtfertigt den engen Zeitplan damit, dass das Resultat der Pilotphase nicht ins Gesetz einfließen solle.

„Ein Pilotversuch, dessen Ergebnisse keinen Einfluss haben, ist eine Farce“, reagierte GAL-Fraktionschefin Christa Goetsch. Die Grüne forderte Dinges-Dierig auf, den Zeitdruck zu vermindern und Schulen zu gewinnen, die freiwillig an einer Reform arbeiten: „Das geht aber nur“, so Goetsch, „wenn das Ergebnis der Versuchsphase nicht schon vorher feststeht.“ Eva Weikert