Jung, wütend, suchend

Sinnsuche im jungen Film: Ludwig Trepte, 17, kämpft und brüllt und säuft sich in „Kombat Sechzehn“ als Cliquenführer der Rechten im Osten durch den Tag. Seine eigene Biografie ist die Positivvariante für all das, woran Jugendliche heute scheitern: herausfinden, was man will. Er selbst weiß es genau

VON SUSANNE LANG

Manche Gesichter erobern das Herz, dieses sticht hinein: Die Lippen ziehen einen Strich, die Haare rahmen es, Millimeter genau gestutzt, die Brauen ziehen sich über den braunen Augen zusammen. Ein Blick, der die anderen Gesichter unermüdlich scannt, teilt in Freund und Feind. Dieses Gesicht, ein Kampffeld, markiert von harten Linien, gehört zu Thomas, 16 Jahre alt, Cliquenführer der Rechten in Frankfurt (Oder) – dieses Gesicht, diese Figur ist eine Herausforderung, vor allem für ein Kinodebüt.

Ludwig Trepte, 17 Jahre, Schauspieler aus Berlin, volle Lippen, verwuschelte Haare, große braune Augen, die neugierig in andere Gesichter blicken, spielt jenen Thomas. Spielt eine der beiden Hauptrollen im Film „Kombat Sechzehn“, der für den Nachwuchsfilmpreis First Steps nominiert ist. Er hat ein weiches Gesicht, das eines Jungen, dem Chorknaben ähnlicher, den Trepte mit dreizehn Jahren in einer Folge des „Polizeiruf 110“ spielte. Ein Gesicht, das eigentlich die Herzen erobert.

Daran lag es wohl auch, dass sogar professionelle Zuschauer nach der Aufführung von „Kombat Sechzehn“ beim Max-Ophüls-Festival in Saarbrücken empört auf Ludwig Trepte einstürmten – obwohl sie den Nazi Thomas meinten. „Ich habe eine Rolle gespielt und fertig“, sagt Ludwig Trepte dazu nur, genauso wie er es damals den Kritikern sagte, die plötzlich seine private politische Meinung diskutieren wollten. Er hat die Rolle authentisch gespielt – und damit ist nichts fertig, damit fängt vieles an.

Ludwig Trepte. Klein ist er. Einen Kopf kleiner als die Jungs, die im Film seine Clique spielen. Aber der Kopf ist es, mit dem er sie schlägt. Er hat sich in Thomas eingedacht, denn Thomas ist nicht dumpf, er ist clever, während er sich durch den Tag schlägt und brüllt und säuft. „Nicht alle, die sich als Fascho ausgeben, sind Arschlöcher“, sagt Ludwig Trepte, „das hat mich an der Figur gereizt.“ Die Hintergründe, warum viele vor allem im Osten Halt suchen bei den Rechten, warum sie dort nach Macht und Anerkennung suchen. „Thomas geht es nicht anders als vielen in unserem Alter, die ihre Grenzen kennen lernen müssen, sie auch suchen.“

Ludwig Trepte spricht bedacht, wenn er die Figur erklärt, nicht abgeklärt. Sammelt die Gedanken, ordnet ein. Manchmal lächelt er dabei. Alles kein großer Deal. Er kennt diesen Typ Thomas, auch aus seinem Alltag. Jugendliche, wie er auch einer ist, die im Osten versuchen, erwachsen zu werden. Die vor allem eines sind: wütend. Weil die natürlichen Gegner fehlen, an denen man sich reiben könnte.

Trepte ist immer mal wieder konfrontiert mit ihnen, erzählt er, abends in Clubs, auf der Straße. Für die Rolle hat er sie drei Monate beobachtet, studiert, ist mit ihnen losgezogen, hat viele historische Bücher gelesen, nicht über das Dritte Reich, sondern über August den Starken und Friedrich den Großen. „In der Szene habe ich einige Thomas-Typen angetroffen“, sagt er und macht eine Pause, „einige“.

Ludwig Trepte weiß ziemlich genau, was er will und was nicht. Was er kann und was er noch lernen muss. Das ist der Unterschied, nicht nur zu den Figuren im Film, auch zu den vielen Nachwuchsstars, die immer schneller aus dem Nichts designt und geklont werden. Die Aufregung um seine Rolle als Thomas versteht er nicht. Und zitiert den Schauspieler Henry Hübchen, mit dem er zuletzt einen Zweiteiler fürs ZDF gedreht hat: „Wenn es sein müsste, könnte ich auch leidenschaftlich töten. Ich bin Schauspieler.“ Leidenschaft, der Begriff taucht häufig auf, wenn Trepte über seine Arbeit spricht. Leidenschaft, nicht Spaß – auch ein Unterschied.

Vielleicht hat er nur Glück gehabt, aber: Er hat sich bewusst für seinen Beruf entschieden. Seine Biografie klingt wie eine Positivfolie für all das, was zurzeit bei vielen schief läuft. Mit elf meldete ihn seine Mutter zum ersten Casting an, weil die Nachbarstochter auch drehte. „Ich glaube, sie dachte: Was die kann, schafft mein Junge auch“, sagt Trepte und grinst. Das Casting ging ziemlich daneben. „Ich lief sofort rot an, so ging das über ein Jahr, ich war zu schüchtern.“ Warum er dennoch mitgemacht hat? „Anfangs, weil ich meine Eltern stolz machen wollte“, erzählt er, „aber nach meiner ersten Rollen wollte ich spielen.“ Die bekam er im Kinderkanal. Heute sind seine Eltern tatsächlich sehr stolz auf ihn und unterstützen ihn. Vor allem sein Vater, Stefan Trepte, ein Star der Ostrock-Szene, die mit der Mauer unterging. Mit ihm verstehe er sich sehr, sagt Trepte, als wäre das normal.

Dabei sind es gerade die Vater-und-Sohn-Konflikte, die so häufig und eben auch in „Kombat Sechzehn“ ausgetragen werden. „Meinem Vater war wichtig, dass er erlebt, dass ich einen Fuß auf den Boden bekomme“, sagt Trepte, der seinen Realschulabschluss während der Arbeit an „Kombat Sechzehn“ bestanden hat, „und das habe ich ja.“ Viele Regisseure raten ihm zu einem zweiten Standbein. Da schüttelt er nur den Kopf. „Ich will nicht Wände anstreichen oder Dächer ziegeln“, betont er, „ich will spielen. Das ist mein Leben – geworden.“ Beim Stichwort Zukunftsangst muss er nur lachen. „Wenn’s schief geht, dann werde ich eben Kabelträger beim Film.“

Im nächsten Jahr möchte er sich an der „Stella Adler School“ in New York bewerben, jährlich einen Vierwochenkurs belegen. Weil er sich nicht festlegen lassen will, wie es an deutschen Schauspielschulen gerne passiert. Und ein bisschen wegen – er grinst – „Robert De Niro, auf den stehe ich ja total“. Bei vielen anderen wäre die Erwähnung dieses Namens tödlich gewesen, und weil ihm das sehr bewusst ist, grinst er. Aber seinem Gesicht trauen viele einiges zu. Auch das weiß er.