Finanzminister Kirchhof macht den Parteien Angst, nicht Bürgern
: Der Bekenntniserzwinger

Paul Kirchhof beschäftigt seit Tagen Ministerpräsidenten wie Medienmacher. Merkels neuer Wunderknabe verpasst der Nation gerade einen Schnellkursus fürs Steuerparadies. Und bevor er die Steuern auch nur um einen Cent gesenkt hat, gibt es schon eine Gewinnerin: die Kanzlerkandidatin. Sie hat mit Kirchhof die Stoiber-Debatte erstickt und die Umfragebaisse gestoppt.

Aber als Kanzlerin, so heißt es, hat Merkel bald ein Problem: Macht sie Kirchhof zum Minister? Harmoniert seine Simpelsteuer mit dem Unionskonzept? Alles Fragen, die so aktuell wie nebensächlich sind. Ob Kirchhof Minister wird, hängt von vielen Unwägbarkeiten ab. Und inhaltlich sind die Differenzen zwischen Kirchhofs flat tax und der der Union so minimal, dass die Modelle narbenfrei zusammenpassen.

Bis zur Wahl interessiert Kirchhof nicht als Macher, sondern als Intellektueller. Als Gesamtkunstwerk ist er eine Herausforderung, manche sagen eine Zumutung. Er ist religiös und publizistisch aktiv, vierfacher Vater, der schon als Verfassungsrichter massiv in die Politik interveniert hat. Er reizt alle möglichen Leute dazu, die Moralkeulen „konservativ“ und/oder „neoliberal“ zu schwingen. Kirchhof ist ein Bekenntniserzwinger, er nötigt dazu Farbe zu bekennen, als Erstes die Parteien.

Denn in Kirchhofs Steuerwerkzeugkasten liegen so wenige Instrumente, dass jeder Bürger selbst erkennt: dass er beim Wirtschaften nicht mehr darauf achten muss, wie viel der Staat ihm wieder nimmt, sondern darauf, was er für sich und die Gesellschaft unternehmen kann. Das emanzipiert die Steuerzahler – und macht die Parteien als Interpreten von Steuergerechtigkeit verzichtbarer.

Bezichtigungen jedenfalls sind schwer geworden. Nutzt eine für jeden verständliche Steuer etwa nicht allen? Was ist neoliberal, wenn eine vierköpfige Familie erst oberhalb von 34.000 Euro Steuern bezahlt? Schadet es Geringverdienern, Steuerschlupflöcher zu schließen? Kirchhof steht für Klarheit nicht allein auf der Steuererklärung. Er macht transparent, wo die Parteien jenseits ihrer Selbstzuschreibung als Linke oder Arbeitsbeschaffer stehen. Ob er damit je Minister wird, steht auf einem anderen Blatt. CHRISTIAN FÜLLER