„Immer häufiger heftigere Hurrikane“

Risikoexperte Anselm Smolka über den Zusammenhang von Treibhauseffekt und Wirbelstürmen

taz: Vor 15 Jahren prophezeite ein Teil der Wissenschaft eine Zunahme von Häufigkeit und Heftigkeit der Hurrikane. Grund dafür: der Klimawandel. Geglaubt haben das damals die wenigsten. Haben die Forscher Recht?

Dr. Anselm Smolka: Tatsächlich haben sich in den letzten Jahren sowohl Häufigkeit als auch Heftigkeit der Hurrikane deutlich erhöht. Das Jahr 2004 war wegen einer ungewöhnlichen Häufung von Wirbelstürmen das teuerste Jahr in der Geschichte der Versicherungswirtschaft. Und die diesjährige Hurrikansaison begann mit „Dennis“ im Juli sehr früh und sehr kräftig.

Andere Wissenschaftler behaupten: reine Klima-Panikmache. Häufigkeit und Heftigkeit gehorchen gewissen Zyklen. Und jetzt ist eben die heftige Zeit in diesem Zyklus dran. Was halten Sie davon?

Da ist etwas dran. Tatsächlich gibt es diese Aktivitätszyklen. Die sind etwa 30 Jahre lang. Die letzten drei Zyklen sind auch mit so vielen Daten belegt, dass man damit wissenschaftlich arbeiten kann. Und da merkt man eben, dass ein anderer Effekt den Zyklus überlagert: der Klimawandel.

Kann man den beziffern?

Das ist natürlich nicht ganz leicht. Wenn man aber die aktuelle Hochphase des Zyklus mit der Hochphase des letzten Zyklus vergleicht, ergibt sich eine Zunahme um dreißig Prozent. Diese Zunahme muss der ungehemmten Treibhausgasemission zugeschrieben werden.

Womit wollen Sie denn das belegen?

Ganz einfach: mit Statistik. Die belegt die Zunahme von Häufigkeit und Heftigkeit. Und das spiegelt sich in der so genannten Nordatlantische Oszillation wider: Sie steht im Zusammenhang mit der Oberflächentemperatur des Atlantiks, die in den letzten Jahren immer weiter gestiegen ist. Höhere Oberflächentemperaturen führen häufiger zu heftigeren Hurrikanen.

Müssten dann die USA nicht dringend Klimaschutz betreiben?

Die jüngste Flut hier, die Hurrikane dort – wissenschaftlicher Konsens ist, dass der menschengemachte Einfluss schon heute spürbar ist. Insofern müssen alle dringend mehr Klimaschutz betreiben.

Das sagt ausgerechnet ein deutscher Konzern. Ihr Bundesverband, der BDI, meint dagegen: Klimaschutz kostet Wirtschaftswachstum und Standortvorteile. Wer hat Recht?

Dass die Reduzierung der Treibhausgasemission der wirtschaftlichen Entwicklung schadet, ist ein Kurzschluss. Das Gegenteil ist der Fall: Erst die Entwicklung neuer, klimafreundlicher Technologien wird der deutschen Wirtschaft einen Schub versetzen. Deren Wachstum liegt primär doch nicht in einer quantitativen Expansion, sondern im Erschließen neuer Geschäftsfelder. Und dieses Geschäftsfeld ist ein unglaublich zukunftsträchtiges: Irgendwann werden die Ereignisse allen begreiflich machen, dass sie in Klimaschutz investieren müssen.

Wenn das so klar ist: Wieso gibt sich der BDI dann so borniert?

Ich möchte das nicht kommentieren. Aber die deutsche Wirtschaft ist ja auch bei uns Kunde. Und sie können sicher sein: Wir beraten unsere Kunden gern.

Logisch: Sie als Schadensversicherer leiden ja unter dem Klimawandel.

Oh, wir als Konzern können mit dem Klimawandel ganz gut leben: Natürlich sind wir mit einem steigenden Schadenstrend konfrontiert. Andererseits bringt der aber auch neue Geschäftsfelder, neue Versicherungsprodukte mit sich. Für uns bringt tätiger Klimaschutz genauso viele wirtschaftliche Chancen mit sich wie unterlassener Klimaschutz.

INTERVIEW: NICK REIMER