Kritik der Woche
: Peters Paralleluniversum

Rein in die Nische, dahin, wo sich die Eingeweihten treffen. Der Tand ist weggeschält, anbiedern muss sich hier niemand mehr, es zählt allein das blanke Interesse. „Liefer- und Lastwagen aus Bremen“ heißt das Buch. Es handelt sich um ein Paperback, erschienen in der Reihe „Autos aus Bremen“, Band neun. Band eins hieß „Wer den Tod nicht scheut, fährt Lloyd“, Band zwei war „... und wer das Leben über hat, fährt Goliath“. Geschrieben hat sie der Bremer PS-Freak Peter Kurze, Gründer der Motorradfahrer-Zeitschrift „Gummikuh“ und Bildarchivar: Seine Bildersammlung von Autos, Zweirädern und Flugzeugen enthält rund 100.000 Fotos aus den Jahren 1950 bis 1975.

Diesmal also Lastwagen. Untertitel: „Nutzfahrzeuge seit 1945 von Borgward, Hanomag und Mercedes“. 96 Seiten mit insgesamt 123 Fotos, durchgängig in Schwarz-Weiß. Dazu etliche Tabellen, die Kurzes Paralleluniversum vermessen anhand von Zylinderzahl, Nutzlast und Spurweite. Der Goliath GD 750 beispielsweise: 1949 lief er erstmals vom Band, und zwar mit einer Starrachse mit Halbblattfedern (siehe Foto). Wie die Kuh hieß, die ins Fahrerhäuschen schaut, steht nicht dabei.

Das ist schade, aber konsequent: Der Freak wäre kein Freak, wenn er sich für etwas anderes als seine Welt interessieren würde. Und diese lässt sich ja auch reichhaltig in Kapitel unterteilen, als da wären die Kombinationskraftwagen, die Lieferwagen, die Transporter, die Lastwagen, die Behörderfahrzeuge, die Dreirad-Lastkraftwagen und die Elektro-Lastkraftwagen.

Man ahnt, dass etliche dieser Autos eine interessante (Nachkriegs-)Geschichte haben und manchmal fällt in den kurzen Einführungstexten auch ein Happen ab – das aber nur beiläufig. Denn es geht hier um die Technik, und nicht um die Menschen, die sie produzierten und mit ihr mitunter ausrangiert wurden: Die Bremer Borgward-Gruppe ist eigentlich sowas wie die Vulkan-Werft – dereinst Bremer Stolz, dann in Konkurs gegangen und heute vergessen.

Bleiben die vielen Fotos von früher. Auf denen ist zu sehen, dass man als Dame in den 1950er Jahre Jacobs-Kaffee kistenweise in den Kombi stapelt. Der LKW an sich erinnert dagegen bis 1970 an ein vertrauenerweckendes Großtier, das meist ohne Rudel und menschlichen Einfluss alleine auf anonymen Parkplätzen steht. Paralleluniversum eben.

Autor und Verleger Peter Kurze hat recht, wenn er sagt: „Unsere Bücher sind grottenlangweilig.“ Er schreibe nicht für Leser, sagt er, „das mache ich nicht in meinem Alter.“ Kurze ist Jahrgang 1955. Was uneitles Interesse ist, kann man von ihm lernen. Einmal durchblättern reicht.

Klaus Irler

Kontakt: www.peterkurze.de