Rudi Dutschke ist zurück auf der Straße

Berlin hat eine Rudi-Dutschke-Straße. Wie finden Sie das? Außenminister Joschka Fischer: „Gute Entscheidung“. Springer-Sprecherin Edda Fels: „Es war ein demokratisches Verfahren“. Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt: „Rudi Dutschke steht für Prinzipientreue in beiden Teilen Deutschlands“

Die Rudi-Dutschke-Straße in Berlin wird von Politikern und Prominenten als gesellschaftlicher Fortschritt begrüßt. „Eine gute Entscheidung“, sagte Bundesaußenminister Joschka Fischer der taz, „sie verdient Respekt“. Grünen-Chefin Claudia Roth betonte: „Rudi Dutschke ist wieder ‚auf der Straße‘ – auch wenn das dem konservativen Kulturkampf gegen 68 nicht in den Kram passt!“

Nach monatelangen Beratungen hat die Bezirksverordnetenversammlung Friedrichshain-Kreuzberg beschlossen, den Anführer der Außerparlamentarischen Opposition (APO) wegen seiner Verdienste um den gesellschaftlichen Aufbruch von 1968 zu ehren. Dafür wird ein Teil der Kreuzberger Kochstraße (siehe Karte) umbenannt. Unter anderem liegen damit die taz und der Springer-Verlag an der Rudi-Dutschke-Straße. Springer reagierte gestern „mit Gleichmut“ (siehe Kasten). Der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) wollte die Entscheidung nicht kommentieren. Dies sei Sache des Bezirks.

Daniel Cohn-Bendit (Foto) war 1968 in Frankreich das, was Dutschke in Deutschland war: Die Symbolfigur einer jungen Studierendenschaft auf den Barrikaden. Auch er hat Springer stets für das Attentat an Dutschke am 11. April 1968 verantwortlich gemacht, an dessen Spätfolgen Dutschke 1979 starb. Heute sagt Cohn-Bendit: „Das Symbol Rudi-Dutschke-Straße hat etwas Versöhnliches. Die alten Frontkämpfer gibt es zwar noch, aber sie sind gesellschaftlich nicht mehr relevant.“ Das Relevante sei die Metadiskussion: „Dass die Rudi-Dutschke-Straße so unproblematisch gekommen ist, zeigt, dass die Gesellschaft weiter ist, als jene, die permanent glauben, mit 1968 abrechnen zu müssen.“

Auch Katrin Göring-Eckardt, Fraktionsvorsitzende der Grünen (Foto), begrüßte die Entscheidung für die Dutschke-Straße: „Rudi Dutschke steht für das Durchhalten von Prinzipien in beiden Teilen Deutschlands“, sagte sie. „Wer im Osten den Wehrdienst verweigert und sich in Westdeutschland für Abrüstung engagiert hat, wer sich zudem für die Wiedervereinigung eingesetzt hat, als die Linke noch längst nicht darüber gesprochen hat, der hat eine Straße im wiedervereinigten Berlin in jedem Fall verdient.“

Adrienne Goehler, Kuratorin des Hauptstadtkulturfonds in Berlin, sagte: „Hier wird eine historische Figur an einem historischen Ort gewürdigt.“ Für sie ist die Dutschke-Straße zudem „ein kleiner, später, aber lustvoller Sieg gegen die Springer-Presse“.

Der Publizist Bahman Nirumand stand als Schah-Gegner im Exil an der Seite Dutschkes bei jener Anti-Schah-Demonstration 1967, während der Benno Ohnesorg von einem Polizisten erschossen wurde. Für Nirumand ist die Dutschke-Straße „für die Gesellschaft wichtig, weil sie die Geschichte dort festhält, wo sie wertvoll in Erscheinung getreten ist“. Nach dem Attentat auf Dutschke hatte die APO auf der Kochstraße vor dem Springer-Hochhaus demonstriert. Für Nirumand ist Dutschkes viel diskutierte Position in der Gewaltfrage eindeutig: „Rudi war immer gegen jegliche Formen von Gewalt, bei der Personen zu Schaden kommen könnten.“

Kritik an der Dutschke-Straße kam von der Berliner CDU sowie von der Welt-Meinungschefin Mariam Lau: „Ich kann das Verdienst Dutschkes, für das man diese Umbenennung vornimmt, nicht erkennen. Warum jemandem auf die Schulter klopfen, der die BRD für ein präfaschistisches Land gehalten hat?“

Marek Dutschke, jüngster Sohn von Rudi, begrüßte die Entscheidung im Namen der Familie. Klar, es sei „schiere Ironie“, dass nun die Springer-Straße in die große Dutschke-Straße münde. Es sei allerdings auch „ein gutes Zeichen, dass man die Geschichte verstanden hat und es künftig besser machen möchte.“

PETER UNFRIED