Gelbe Telefonzellen her!

Der Film „Die Quereinsteigerinnen“ erzählt eine skurrile Anarcho-Entführungsgeschichte besser als „Die fetten Jahre sind vorbei“ – mit viel Witz und einer Portion Sixties

Endlich mal ein schöner Grund für eine Entführung: Katja und Barbara haben die Nase voll von den scheußlichen, ständig kaputten, nicht regendichten neuen Telefonsäulen in Grau-Rosa. Zusammen mit Katjas Exfreund Stefan kidnappen sie Telekom-Chefetagenmitglied Harald Winter und setzen sich mit ihm in der gemütlichen Landhütte von Katjas Tante fest, um per getippter Entführerbrief „die Wiedererrichtung der gelben Telefonzellen anstatt der Telefonsäulen“ zu fordern.

Was beginnt wie ein trashiges Rip-Off von „Die fetten Jahre sind vorbei“, mutiert rasant zu einer leichthändigen Fingerübung in Sachen Nouvelle-Sixties-Comedy-Vague. Die Hommage an die „Münchner Schule“ von Klaus Lemke und May Spils bleibt nicht nur Theorie: Der 60er-Film-Pionier Lemke spielt in einer Nebenrolle als fieser Telekom-Schnüffler mit. Die beiden Frauen und Stefan halten den langsam auftauenden Winter mit Hilfe einer Bratpfanne in Schach, diskutieren die richtige Bekennerschreibenformulierung, rutschen langsam in einen akuten Fall von Stockholm-Syndrom und betrachten die Welt mit sympathischer Naivität: Manchmal wischt der genial-arglose Witz von Marilyn Monroe und Jane Russell aus „Gentlemen Prefer Blondes“ durch das Bild. Manchmal verhakelt sich der Film mit seinen technisch dürftigen, aber wirkungsvollen Digitalbildern und seinem Trashgitarren-Score fast im Dilettantismus.

Freundliche Geduld braucht man auch für den Humor: Wie Claudia Basrawi als somnambule Katja und die tolle Nina Proll als lebenslustige Barbara im Doppelbett liegen und über Siezen und Duzen philosophieren. Oder wie Katja den anderen von der Gesellschaft in Uruguay erzählt, die „freiwillig in den Sechzigern stehen geblieben ist“, weil da alle Arbeit hatten und keine Handys.

Aber wenn am Ende die Liebe über die Wut – früher hätte man gesagt „den Hass“ – zu siegen scheint, wenn die vier komischen Gestalten in ihrer Zwangs-WG eine eigene Art des Zusammenlebens entwickeln, blitzt wirklich die anarchistisch-schöne Filmwelt von „Nicht fummeln, Liebling“ und „Amore“ auf: Dann triumphieren die natürliche Darstellung und die Alltagsbeobachtung über die gekünstelte und vor allem von Feuilletonisten herausgekramte Tiefe à la „Die fetten Jahre“.JENNI ZYLKA

„Die Quereinsteigerinnen“ (R.: Rainer Knepperges, Christian Mrasek, D 2005, 81 Min.) laufen heute Abend um 21 Uhr als Vorpremiere im Arsenal