„Mit der CDU endet Demokratie vorm Werkstor“

Transnet-Chef Norbert Hansen fordert, dass sich die Gewerkschaften im Wahlkampf deutlicher positionieren. „Ich will, dass Rot-Grün weiterregiert“, sagt er. Sollten CDU und FDP versuchen, die Tarifautonomie aufzuweichen, will er mit „allen legalen Mitteln“ dagegen kämpfen. Auch mit Streik

INTERVIEW KLAUS JANSEN

taz: Morgen treffen Sie Angela Merkel: Was haben Sie ihr zu sagen?

Norbert Hansen: Ich werde fordern, dass Frau Merkel die Äußerungen aus dem CDU-Wahlprogramm zur Wirtschaftsdemokratie zurücknimmt. Die Gewerkschaften werden niemals widerstandslos hinnehmen, dass betriebliche Mitbestimmung, Tarifautonomie und Kündigungsschutz aufgeweicht werden. Das läuft darauf hinaus, dass in Deutschland Demokratie vor den Werkstoren endet. Frau Merkel muss wissen, dass zumindest ich meinen Mitgliedern eine klare Wahlempfehlung geben werde, wenn sie das nicht korrigiert.

Also: Auf ein Neues, SPD?

Ich persönlich will, dass Rot-Grün weiterregiert. Jeder sollte sich überlegen, ob er Parteien unterstützen will, die die Lebensumstände von Arbeitnehmern verschlechtern. Die Unionsparteien und die FDP tun das.

Bislang waren die Gewerkschaften sehr um Distanz zu allen Parteien bemüht.

Distanz zu Parteien schon – das ist unsere Pflicht. Zur Politik aber nicht. Je deutlicher von Tag zu Tag wird, wie massiv die Unionsparteien und die FDP gegen Arbeitnehmerinteressen stehen, desto mehr müssen wir als Gewerkschafter Orientierung bieten.

DGB-Chef Michael Sommer hat das bislang anders gesehen.

Michael Sommer muss die Position des DGB vertreten – und die hängt leider nicht von mir allein ab.

Gewerkschaftskollegen wollen mit Streiks auf eine Beschränkung ihrer Rechte reagieren. Was werden Sie tun?

Wir werden mit allen legalen Mitteln kämpfen. Zur Not auch mit Arbeitsniederlegungen. Ich sehe das allerdings nicht als einen illegalen politischen Streik, denn es geht um gesetzliche Grundlagen unserer Tarifautonomie. Es wäre interessant, einmal verfassungsrechtlich prüfen zu lassen, ob die Verteidigung der Tarifautonomie nicht unter das deutsche Arbeitskampfrecht fällt.

Bringt eine radikale Positionierung gegen die Union den Gewerkschaften mehr Zulauf?

Ich glaube im Leben nicht daran, dass wir durch verbalradikale Politik neue Mitglieder bekommen. Die Leute, die bei uns organisiert sind, erwarten konkrete Ergebnisse von uns. Als junger Gewerkschaftssekretär habe ich bei meinem ersten Streik gelernt, dass man sich bei einem Arbeitskampf als Erstes im klaren sein muss, wie man ihn wieder beendet. Die Gewerkschaften, die ohne Lösungsideen wild losgestreikt haben, haben in der Geschichte nicht überlebt. Im Gegenteil: Es besteht die Gefahr, dass wir nach der Wahl noch mehr als bisher Kompromisse eingehen müssen – allerdings dann mit falschen Partnern.

Viele Gewerkschafter wollen keine Kompromisse und unterstützen die Linkspartei.

Ich persönlich tue das nicht. Mir nützt es doch überhaupt nichts, wenn eine Partei nahezu wortwörtlich unsere Gewerkschaftsprogramme abschreibt, aber dazu beiträgt, dass sie nie umgesetzt werden. Ich befürchte, dass wer die Linkspartei wählt, dafür sorgt, dass es keine Mehrheit für eine arbeitnehmerfreundliche Politik gibt. Mir wäre es lieber, wenn die SPD unsere Programme vertreten würde.

In den vergangenen Jahren haben Gewerkschafter die SPD angegriffen, weil sie dies nicht tut. Bereuen Sie diese Kritik?

Für mich hat das nie gegolten. Aber insgesamt wäre ein konstruktiverer Umgang mit der Regierung sinnvoller gewesen als eine Konfrontation über Demonstrationen, die von Sachthemen wegführen. Die Gewerkschaften wären gut beraten gewesen, mehr die Kooperation als schnelle Schlagzeilen zu suchen.