Kolumbien vor Friedensverhandlungen?

Die ELN, die kleinere der beiden kolumbianischen Guerillas, geht auf das Gesprächsangebot von Präsident Uribe ein

PORTO ALEGRE taz ■ Acht Monate vor der nächsten Präsidentenwahl kommt Bewegung in die starren Fronten zwischen Kolumbiens Präsident Álvaro Uribe und der Guerilla. Nachdem Uribe bereits den rechtsextremen Paramilitärs weit entgegengekommen ist, signalisiert er nun den „Revolutionären Streitkräften Kolumbiens“ (Farc) und dem „Heer zur nationalen Befreiung“ (ELN) Gesprächsbereitschaft. Dafür ist er sogar bereit, sich von jener These zu verabschieden, mit der er in aller Welt für seinen harten Kurs der „demokratischen Sicherheit“ geworben hat: In Kolumbien, hatte Uribe stets erklärt, gebe es keinen bewaffneten Konflikt, sondern die Bedrohung der Demokratie durch Terroristen.

Ein militärischer Sieg über die Guerilla ist so weit entfernt wie eh und je. Deswegen bot der Staatschef der ELN-Führung letzte Woche an, ihren prominenten Sprecher Gerardo Bermúdez alias Francisco Galán für drei Monate auf freien Fuß zu setzen. Und er sagte, sobald die ELN als „glaubwürdiges Friedenszeichen“ einen Waffenstillstand verkünde, würde er „akzeptieren, dass man über die definitive Lösung eines Konflikts verhandeln muss“.

So weit ist es allerdings noch lange nicht. Doch immerhin ging das ELN-„Zentralkommando“ auf Uribes Geste ein, worauf Galán am Montag das Hochsicherheitsgefängnis von Itagüí bei Medellín verließ. Der Guerillero mit dem grauen Rauschebart, der sich in seiner fast 13-jährigen Haftzeit zum bekanntesten Sprecher der mit geschätzten 5.000 Kämpfern zweitgrößten Guerilla entwickelt hat, soll nun Gespräche mit der „Zivilgesellschaft“ führen. Unter der Obhut kolumbianischer Polizisten wohnt er jetzt in einem Landgut südlich von Medellín.

Anders als die Farc, bei der in den letzten 15 Jahren die militärische Logik in den Vordergrund gerückt ist, besteht die ELN auf einer breiten Beteiligung der Bevölkerung bei einer politischen Lösung. Dass trotz vielfacher Kontakte noch nichts daraus geworden ist, schreibt Kommandant Antonio García dem Machtzuwachs der rechten Paramilitärs zu. „Der Staat hat Kriminelle für die Repression kooptiert“, fasst er die Entwicklung der letzten Jahre zusammen und kritisiert das im Juni verabschiedete Amnestiegesetz als „Legalisierung“ der Todesschwadronen.

Derzeit wirbt Uribe bei der Europäischen Union vehement um Unterstützung für die höchst umstrittene Teildemobilisierung der rechten Milizen. Mit seinen letzten Avancen will er auch dort Punkte sammeln, und im Hinblick auf eine mögliche Wiederwahl 2006 dürfte ihm eine echte Verhandlungsbereitschaft gegenüber der Guerilla ebenfalls nutzen.

Beim Tauziehen mit der Farc geht es zunächst nicht um Friedensgespräche, sondern um das ganz konkrete Szenario eines Gefangenenaustausches. Nach drei Jahren Stillstand scheint der Präsident dem starken öffentlichen Druck nachgeben zu wollen. Und da dies bislang das einzige Thema ist, worüber die Farc mit Uribe sprechen wollen, dürfte es auch hier Fortschritte geben.

GERHARD DILGER

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