Gasag lässt Berliner zittern

Der Gasversorger mit Monopolstellung erhöht die Preise zum zweiten Mal in zehn Monaten. Der Aufschlag von bis zu 11,8 Prozent trifft 700.000 Kunden. Verbraucherschützer prüfen Sammelklage

VON ULRICH SCHULTE

Glücklich der, der ein Monopol besitzt: Die Gasag erhöht zum zweiten Mal innerhalb von zehn Monaten ihre Preise, und das nicht zu knapp. Die rund 700.000 BerlinerInnen, die mit Erdgas heizen oder kochen, müssen ab dem 1. Oktober bis zu 11,8 Prozent mehr bezahlen. Gasag-Vorstand Andreas Prohl begründete den Aufschlag mit den steigenden Ölpreisen, an die die Gaspreise gekoppelt sind.

Während Besitzer einer Gasetagenheizung vielleicht künftig eher mal abschalten, könnte es auch für den einzigen Berliner Gasversorger bald ungemütlich werden: Die Verbraucherschutzzentrale prüfe eine Sammelklage, um die Erhöhung zu stoppen, sagte Jurist Bernd Ruschinzik gestern der taz. „Die Preispolitik der Gasag ist aberwitzig. Im europäischen Vergleich liegen die deutschen Preise mit am höchsten.“ Bange könnte den Gasag-Managern angesichts einer Einschätzung des Hamburger Landgerichts werden, die just gestern öffentlich wurde. Die Richter folgen der Argumentation von 54 Kunden gegen den Versorger E.on Hanse. Der Konzern, der seine Preise mit Verweis auf den Ölmarkt drastisch angehoben hatte, muss jetzt seine Kalkulation offen legen – falls er nicht neu argumentiert.

Ob und wann Berlins Verbraucherschützer nachziehen, ist bisher ungewiss. Die hausinternen Rechtsexperten müssten gute Chancen prognostizieren. „Dann würden wir Betroffene dazu aufrufen, sich zu melden, und sie bei der Klage unterstützen“, sagt Ruschinzik.

Wer eigenmächtig die Rechnung kürzt, muss damit rechnen, vor Gericht gezerrt zu werden. Vorerst empfiehlt Ruschinzik daher, der Erhöhung per Einschreiben zu widersprechen und anzukündigen, nur unter Vorbehalt zu bezahlen – ein wohl folgenloser Protest.

Pünktlich zur kalten Jahreszeit wird sich die Preissteigerung empfindlich in der Haushaltskasse auswirken (Beispiele siehe Kasten). Die Kilowattstunde wird für alle Tarife um 0,58 Cent teurer, die Mehrwertsteuer ist einkalkuliert. Die Gasag-Tarifexperten haben ausgerechnet, dass der Durchschnitts-Haushalt im Monat 10 Euro mehr bezahlen muss. Eine weitere Preiserhöhung Anfang 2006 wollte Vorstand Prohl nicht ausschließen. „Die Ölpreis-Schwankungen sind so extrem, dass ich keine Prognose über das Quartal hinaus abgebe.“

Schützenhilfe erhofft sich die Gasag von einer Untersuchung der Stiftung Warentest vom Juli. Ein Haushalt mit einem Jahresverbrauch von 30.000 Kilowattstunden muss in der Hauptstadt 1.420 Euro fürs Gas einplanen. In anderen Städten langen die Versorger kräftiger zu: In Frankfurt am Main bräuchte die Familie 1.499 Euro, in München 1.504 und in Köln gar 1.528 Euro. „Im Bundesvergleich brauchen wir uns mit unseren Preisen nicht zu verstecken“, sagt Prohl. Die Tatsache, dass der Durchschnitts-Frankfurter beträchtlich mehr verdient als ein Durchschnitts-Berliner, erwähnte er nicht.

Besonders wird die Erhöhung arme Leute treffen, zum Beispiel Arbeitslosengeld-II-Empfänger. „Die festgelegten Mietoberwerte gelten für Bruttowarmmieten“, sagt Reiner Wild vom Mieterverein. „Die Erhöhungen werden nicht durch zusätzliche Leistungen kompensiert.“ Den Betroffenen bleibt ein schwacher Trost: Wer die Raumtemperatur um ein Grad herunterfährt, verringert den Verbrauch um sechs Prozent.

Immerhin einem bekommt die Preispolitik gut – der Gasag selbst. In den Geschäftsberichten ist nachzulesen, dass das Unternehmen seit 2001 Jahresüberschüsse zwischen 54 und 60 Millionen Euro erwirtschaftet. In der gleichen Zeit sank die Zahl der Beschäftigen von 1.190 auf 880. Das einst öffentliche Unternehmen wurde 1998 durch den Verkauf der Landesaktien privatisiert. Heute gehört er zu jeweils rund einem Drittel den Energiekonzernen Gaz de France, Vattenfall Europe und Thüga Aktiengesellschaft.

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