Im Bremer Rathaus fliegen die Fetzen

Nach der Rücktrittsankündigung von Henning Scherf scheint der Konsenszwang die Koalition zu verlassen. Gestern konnte sich der Senat weder über den dringenden Nachtragshaushalt 2005 noch über die Etatplanung 2006/2007 einigen

Bremen taz ■ „Dieser Senat ist handlungsunfähig“, stellt die Vorsitzende des Haushaltsausschusses, Karoline Linnert trocken fest. Wenn die Landesregierung mit dem beschlossenen Geld nicht auskomme, dann müsse dem Parlament rechtzeitig ein Nachtragshaushalt vorgelegt werden. Rechtzeitig heißt: jetzt. Denn im Dezember sei das Geld ja bereits weg.

Vorher aber schafft es der Senat ganz offensichtlich nicht. Stundenlang tagte er gestern, die Sitzung endete im Streit – und ohne Ergebnis. Insgesamt rund 120 Millionen Euro fehlen im Haushalt 2005. Die Einnahmen sind hinter den Erwartungen zurückgeblieben, die Ausgaben höher als geplant und genehmigt. Der Finanzsenator hatte einen Vorschlag gemacht, wie das Problem geräuschlos erledigt werden sollte: „Nur“ 35 Millionen sollten bei der Bank geliehen werden, die Neuverschuldung für Land und Stadtgemeinde Bremen (ohne Bremerhaven) wäre damit über die Milliarden-Grenze angestiegen. Andere, bisher entlastende Summen würden aber mit verbraucht: 31 Millionen Euro aus den Erlösen der Stahlwerke-Anteile etwa, eigentlich Investitionsmittel, sollten in die Haushaltslöcher gesteckt werden, Rücklagen und andere nicht abgerufene Mittel sollten dazu kommen, gut 20 Millionen Euro die Ressorts noch selbst einsparen. Die aber sperrten sich, vor allem die CDU-geführten, und beharrten dem Vernehmen nach darauf, dass die volle Summe als Neuverschuldung bei den Banken besorgt wird. Wirtschaftssenator Jörg Kastendiek (CDU) wollte sogar noch einen verlorenen 40-Millionen-Euro-Kredit für den Space-Park unterbringen. Wutentbrannt drohte der Staatsrat des Bürgermeisters, Reinhard Hoffmann, er werde zurücktreten, wenn der Senat sich nicht zur Handlungsfähigkeit zusammenraufe. Kastendiek konterte trocken: „Das ist keine Drohung – nur, wenn sie noch drei Jahre bleiben.“

Die Überziehungen des Haushaltes 2005 haben Folgen für 2006 und 2007. Für diese Jahre liegen die Forderungen der Ressorts schon jetzt jeweils gut 150 Millionen Euro über den vom Senat beschlossenen Eckwerten – alles unter der Annahme, dass wenigstens 2005 das bewilligte Geld reicht. Und während es unter den Finanzexperten der Republik Konsens ist, dass die „Eigenanstrengungen“ der Haushaltsnotlage-Länder zu gering waren, will der Bremer Senat sogar noch mehr Geld ausgeben als bisher schon. Für Linnert ist das der schlechteste Dienst, den man Bremen in seiner Lage tun kann: „Das sind die Haushalte, die sich das Bundesverfassungsgericht sehr genau angucken wird“, sagt sie. Wenn die Richter dort zu dem Eindruck kommen, dass die Haushaltsnotlage Bremens selbstverschuldet ist, könne sie die Aktendeckel schließen. Das Problem Doppelhaushalt 2006/2007, mit dem der Senat nicht zurechtkommt, soll nun der Koalitionsausschuss beraten. kawe