Gesundheitlich stabil mit Heroin

Nach drei Jahren Heroinambulanz zeichnet sich Erfolg des Modellprojektes ab: Junkies sind weniger in der illegalen Szene und körperlich in besserer Verfassung. Detaillierte Ergebnisse veröffentlicht das Bundesgesundheitsministerium 2006

von Elke Spanner

Die Grundannahme scheint sich zu bestätigen: Heroinsüchtige verelenden nicht durch die Droge selbst, sondern durch die mit dem Suchtalltag einhergehenden Lebensumstände. Drei Jahre nach Eröffnung der Heroinambulanz am Högerdamm – sowie sechs weiterer Modellprojekte zur kontrollierten Abgabe des Stoffes bundesweit – zeichnet sich ein Erfolg der begleitenden Arzneimittelstudie ab.

So bestätigte nun das Bundesgesundheitsministerium, dass bei den Probanden „eine deutliche gesundheitliche Verbesserung und ein Rückgang des illegalen Drogenkonsums“ zu verzeichnen ist. Die bisherigen Eindrücke, heißt es aus dem Büro der Bundesdrogenbeauftragten Marion Caspers-Merk auf Nachfrage der taz, „stimmen uns zuversichtlich, dass durch die Heroinabgabe eine gesundheitliche Stabilisierung erfolgt“.

Das hatten Drogenfachleute schon in den Neunzigern vorausgesagt. Damals war festgestellt worden, dass die Substitution von Junkies mit der Ersatzdroge Methadon zwar erfolgreich ist. Viele aber brechen das Programm ab, weil Methadon zwar die Entzugsqualen erspart, aber auch der „Kick“ ausbleibt, der die Süchtigen zum Drogenkonsum verführt. Die Idee, diesen Schwerstabhängigen Heroin zu geben, galt als logische Fortentwicklung des Methadon-Programmes.

Im März 2002 bereits beantragte Hamburg unter Federführung des damaligen Bürgermeisters Henning Voscherau (SPD) im Bundesrat eine notwendige Änderung im Betäubungsmittelgesetzes. Dennoch dauerte es bis 2002, bis die Hamburger Ambulanz eröffnet werden konnte. Denn es geht damit ein Tabubruch einher: An Süchtige wird ein Stoff abgegeben, der illegal und ansonsten nur auf dem Schwarzmarkt zu erwerben ist.

Das ist juristisch nur möglich, weil die Heroinambulanz in eine wissenschaftliche Untersuchung eingebettet ist: Das Bundesgesundheitsministerium betreibt die Arzneimittelstudie, in der untersucht wird, ob sich die kontrollierte Ausgabe von reinem Diamorphin als Medikament für Schwerstabhängige bewährt. Ziel ist, die Junkies aus der Szene herauszulösen, indem der ansonsten den Alltag bestimmende Beschaffungsdruck von ihnen genommen wird. Durch die Abgabe von sauberem Stoff sollen sie zudem vor Erkrankungen geschützt werden, die durch das unreine Heroin des Scharzmarktes verursacht werden. Werden diese beiden Ziele erreicht, können Pharmaunternehmen die Zulassung von Diamorphin als Medikament beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) beantragen.

In Hamburg wird die Heroinambulanz in ihrer jetzigen Form noch bis Mitte 2006 bestehen. 460 Probanden wurden hier zunächst betreut. Die eine Hälfte nahm an der Heroinbehandlung teil, die andere kam in eine Kontrollgruppe, in der den Junkies Methadon verabreicht wurde. Gezeigt habe sich, so das Bundesgesundheitsministerium, dass in beiden Behandlungsgruppen deutliche gesundheitliche Verbesserungen der Süchtigen und ein Rückgang des illegalen Konsums erreicht werden konnte – und dass die positiven Effekte bei der Heroinbehandlung „signifikant größer“ sind.

Detaillierte Ergebnisse gibt das Ministerium erst zu Beginn des kommenden Jahres bekannt. Schon jetzt aber zeigen sich alle Beteiligten gewillt, eine kontrollierte Abgabe von Heroin an Schwerstabhängige dauerhaft zu ermöglichen: Die Hamburger Gesundheitsbehörde, sagt deren Sprecher Hartmut Stienen, wird mit dem Träger der hiesigen Heroinambulanz demnächst Gespräche zu der Frage aufnehmen, „wie es weitergehen wird“.