Marokko: Migranten zwischen Minenfeldern

UNO sucht per Hubschrauber in der verminten Wüste der Westsahara nach herumirrenden afrikanischen Flüchtlingen

MADRID taz ■ Das UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR macht sich Sorgen um das Schicksal der schwarzafrikanischen Migranten, die in Marokko von der Armee deportiert worden sind. Mindestens 250 der um die 2.000 Immigranten, die im Norden des Landes in der Nähe der spanischen Exklaven Ceuta und Melilla festgenommen wurden, sollen in der von Marokko besetzten Westsahara ausgesetzt worden sein, berichtete das UNHCR gestern. Die Soldaten hätten sie durch eine Öffnung in der von Marokko errichteten Mauer auf das Gebiet der Westsahara-Unabhängigkeitsbewegung Polisario geschickt. Dieser Landstrich ist vermint.

Hubschrauber der UN-Mission „Minurso“, die den Waffenstillstand zwischen den beiden Kontrahenten überwacht, suchten gestern nach den ausgesetzten Flüchtlingen. Das UNHCR wurde durch den Handyanruf eines der Betroffenen auf diese neue Flüchtlingstragödie aufmerksam gemacht. Der Anrufer gab an, zusammen mit anderen am Montag ausgesetzt worden zu sein. Er bat um schnelle Hilfe, da ihnen Wasser und Nahrung ausgegangen sei.

„Das Gebiet ist sehr unwegsam“, erklärte gestern ein UNHCR-Sprecher, der in ständigem Kontakt mit Ärzte ohne Grenzen (MSF) und anderen spanischen Hilfsorganisationen steht, die in den letzten Tagen die von der Armee zusammengestellten Flüchtlingskonvois beobachteten. Nach Erkenntnissen von MSF befinden sich 1.500 Flüchtlinge in Militärcamps rund um die südmarokkanischen Stadt Guelmim und mehrere hundert in Dajla an der Grenze der Westsahara zu Mauretanien. Das Team von Ärzte ohne Grenzen wird seit Mittwoch von den marokkanischen Behörden daran gehindert, sich frei zu bewegen.

Die Schicksale der Deportierten zu verfolgen ist auch für die Helfer riskant. Am Mittwoch verunglückte in der Nähe der Westsahara-Hauptstadt El Aaiun in der Westsahara ein Auto mit vier Mitgliedern verschiedener spanischer Hilfsorganisationen. Eine Vertreterin von SOS Rassismus Spanien muss wahrscheinlich im Provinzkrankenhaus der Stadt operiert werden.

UN-Generalsekretär Kofi Annan mahnte gestern Spanien und Marokko, die Zuwanderer human zu behandeln und das internationale Recht zu beachten. „Wenn diese Menschen einigermaßen würdige Lebensbedingungen in ihrer Heimat hätten, würden solche Dinge wie das Flüchtlingsdrama von Ceuta und Melilla nicht passieren“, erklärte er. Die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch (HRW) forderte überdies die spanische Regierung auf, keine weiteren Flüchtlinge nach Marokko abzuschieben. „Marokko muss die elementaren Menschenrechte der Immigranten wesentlich mehr respektieren, bevor es als sicheres Rücknahmeland gelten kann“, heißt es in einem Kommunikee von HRW.

Den spanischen Regierungschef José Luis Zapatero scheint die internationale Kritik nicht weiter zu stören. Es sei notwendig, Verständnis für Marokko aufzubringen, forderte er am Mittwoch anlässlich des spanischen Nationalfeiertags vor Journalisten. REINER WANDLER