Brasiliens Haushaltsloch ist der grösste Feind Amazoniens
: Regenwald in der Schuldenfalle

Die Katastrophenmeldungen sind austauschbar, die Ursachen seit langem bekannt. Offenbar hat sich die Welt mit der Zerstörung des Amazonas-Regenwaldes abgefunden. Trotz der derzeitigen Dürre am Mittellauf des Amazonas, trotz der neuen Studie, in der brasilianische und US-amerikanische Forscher nachweisen, dass das Ausmaß der Vernichtung noch größer ist als bislang angenommen: Ein Umsteuern ist nicht in Sicht.

Seit gut 30 Jahren wird das brasilianische Amazonasgebiet mit staatlicher Hilfe nahezu ungebremst geplündert. Brasilianische und ausländische Multis fördern Eisenerz und Kupfer, Tonerde und Aluminium für die Industrie im Norden und neuerdings auch in China. Der Staat liefert den durch riesige Wasserkraftwerke erzeugten Strom zum Schleuderpreis und fördert durch den Bau neuer Verkehrswege die weitere Erschließung des Riesengebietes durch das Agrobusiness und große Holzfirmen. Das legal und illegal gefällte Tropenholz, die auf immer größeren Plantagen angebaute Soja und das Fleisch der ausgedehnten Rinderherden gehen ebenfalls vorwiegend in den Export. Dank der erwirtschafteten Devisen und massiver Haushaltskürzungen kann die Regierung Jahr für Jahr Milliarden in den Schuldendienst stecken – doch unter dem Strich verringert sich die Schuldenlast kaum. Dem Umweltministerium fehlen wie eh und je die Mittel für die effektive Kontrolle Amazoniens. Selbst im Etat fest eingeplante Mittel werden nur teilweise freigegeben.

Die zahllosen Projekte zur nachhaltigen Nutzung des Regenwaldes wirken wie der sprichwörtliche Tropfen auf den heißen Stein. Gerade der selektive Holzeinschlag, dessen Schäden das Forscherteam jetzt untersucht hat, wurde auch von großen Umweltverbänden immer wieder als zukunftsträchtige Alternative gepriesen. Nun zeigt sich erneut: Er kann nur in einem rechtsstaatlichen Rahmen funktionieren. Der Aufbau eines solchen kostet viel Geld. Schuldenerlass gegen Umweltschutz in Amazonien: das wäre eine Lösungsweg, der an den Ursachen der Zerstörung ansetzt. GERHARD DILGER