Provinz-Nazis auf Berlintour

Angekündigt hatten die Jungen Nationalen einen Großaufmarsch. Am Ende war es nicht mehr als ein Häufchen. Begleitet von 500 Gegenprotestanten marschierten am Samstag 126 Neonazis durch den Stadtteil Pankow

Berlins Neonazis versuchen es neuerdings mit einer neuen Masche. Sie prahlen vorher in ihren Aufrufen im Internet mit prominenten Rednern und kündigen „Großaufmärsche“ an. Doch es scheint nichts zu nützen. Es kommen trotzdem nicht viele.

So auch beim Aufmarsch der rechtsextremen NPD-Jugendorganisation Junge Nationaldemokraten (JN) am Samstag in Pankow: 300 Marschierer hatten die Veranstalter bei der Versammlungsbehörde angemeldet, es kamen 126. Prominente Redner wie der NPD-Vorsitzende Udo Voigt oder die beiden Kameradschaftsführer Thomas Wulff (bekannt als „Steiner“) und Gordon Reinholz waren angekündigt. Es redete bloß der Exberliner Neonazi Lutz Geissen, der seit einem Jahr in Greifswald beim Aufbau einer Kameradschaftsstruktur sein Glück versucht.

Und so verlief der Aufmarsch in gewohnter Manier: Polizisten nahmen den Nazipulk an der S-Bahn-Station in Empfang, schirmten ihn weiträumig vor den bereits wartenden Gegendemonstranten ab und begleiteten die Marschierer, bis sie die S-Bahn eine Station weiter wieder bestiegen. Zwischendurch kam es zu kleinen Rangeleien mit den Gegendemonstranten. Und am Ende wetterte ein Nazisprecher via Megaphon gegen das Holocaust-Mahnmal. Er verkündete stolz, dass sie an diesem Tag wieder sehr erfolgreich waren. Der Antifa hätten sie es mal wieder gezeigt.

Unter dem Motto „Mehr Geld und soziale Gerechtigkeit für die deutsche Jugend“ hatte die Parteijugend der NPD für den Aufmarsch geworben, um sich für ein „nationales Jugendzentrum“ einzusetzen. Parteimitglieder der NPD oder der JN waren jedoch kaum zu sehen. Stattdessen kamen zumeist sehr junge Anhänger der rechtsextremen Kameradschaft „Märkischer Heimatschutzbund“. Diese Kameradschaft ist vor allem in der Gegend um Eberswalde in Brandenburg aktiv. Doch seit kurzem hat sie auch eine Berliner Sektion. In ihrem Umfeld tummeln sich vor allem ehemalige Mitglieder der seit einem halben Jahr verbotenen Kameradschaften Baso und Tor.

Der Aufmarsch führte vom S-Bahnhof Pankow über die Breite Straße, vorbei am Rathaus über den Grabbeallee bis zum S-Bahnhof Heinersdorf und dauerte etwa zweieinhalb Stunden. Auf der Gegenseite hatten sich zunächst etwa 500 Gegendemonstranten am Jüdischen Waisenhaus zu einer Kundgebung versammelt, zu der neben der örtlichen Antifa und dem „Pankower Netzwerk gegen Rassismus, Antisemitismus und rechte Gewalt“ auch die Landesverbände der SPD, Linkspartei.PDS und Grünen aufgerufen hatten. Als die Neonazis in der Berliner Straße vorbeizogen, gab es einige Rangeleien, vereinzelt flogen Eier und Steine auf den zu einer Schildkrötenformation zusammengepferchten Naziblock. Die Polizei, die mit insgesamt vier Hundertschaften vor Ort war, trennte die beiden Lager durch einen Fahrzeugkonvoi voneinander.

Insgesamt nahmen die Einsatzkräfte neun Gegendemonstranten fest, Verletzte gab es keine. Und auch die Wasserwerfer und Räumpanzer, die in den Seitenstraßen geparkt waren, kamen nicht zum Einsatz. Gegen 14.50 Uhr war der Spuk vorbei.

FELIX LEE