Martialische Parolen

130 Neonazis marschieren in Harburg gegen die Kampagne „Stadt. Land. Fluss. Kein Raum den Nazis“. Polizei geht lieber gegen friedliche Antifa-Demonstranten vor

„Antifa – 9 Millimeter“: Parolen wie diese gehörten zum Standardrepertoire der etwa 130 Neonazis, die am Samstagnachmittag gegen die Antifa-Kampagne „Stadt. Land. Fluss. Kein Raum den Nazis“ in Harburg aufmarschiert waren. Und da gab es kaum einen rechten Redner, der der „roten Antifa“ nicht mehr oder minder unverblümt den Kampf angesagt hätte.

Schon beim Auftakt am Bahnhof wiederholte Alexander Hohensee, Hamburger Kader der „Freien Kameradschaften“ (FK), die Drohung aus dem Marschaufruf: „Ihr spielt mit dem Feuer.“ Zur Kampfbereitschaft ermahnte Daniel Gräf, Celler Kader des „Kampfbundes Deutscher Sozialisten“ seine „Volksgenossen“. Und Hans-Gerd Wiechmann, NPD-Kader aus Lüneburg, warnte auf einer Zwischenkundgebung mehr als deutlich: „Öffnet nicht die Büchse der Pandora!“ Denn: „Faustschlag folgt auf Faustschlag.“

Vor allem die Outing-Aktionen der Hamburger Antifa-Kampagne hatten die rechte Szene verärgert. In den vergangenen Wochen hatten Mitglieder der Initiative vor den Wohnungen führender NPD-Kader Flugblätter mit deren politischem Werdegang verteilt und so viele Anwohner aufgeschreckt. „Diffamierung!“ wetterte denn auch Wichmann am Samstag. Ein Ordner bedrohte derweil einen Fotojournalisten: „Dich kriege ich.“

Entsprechend dünnhäutig blieb auch die Reaktion auf Passanten-Kommentare. „Haut ab! Ihr habt doch kein Gehirn“, rief mehrmals eine Frau vom Straßenrand und wurde von der Polizei prompt zur Personalienangabe aufgefordert – der Veranstalter hatte Anzeige wegen „Beleidigung“ gestellt. Umstehende kamen der Frau zu Hilfe: „Schreiben Sie mich auch gleich auf. Ich habe das auch gerufen.“ Die Polizeiführung, mit knapp 500 Beamten und mehreren Wasserwerfern im Einsatz, musste die rechte Route mehrmals ändern: Gegendemonstranten waren in die Nähe gekommen.

Knapp zwei Stunden zuvor hatten etwa 500 Menschen an der Demonstration der „Stadt. Land. Fluss.“-Kampagne teilgenommen. Redner verwiesen dabei auf eine in Harburg bereits verfestigte rechte Szene, die jedoch von der Politik kaum wahrgenommen werde. Mehrmals stoppte die Polizei den friedlichen Zug – zum Beispiel, weil das Führungstransparent angeblich länger war als 1,5 Meter war. Später räumte ein Polizeisprecher ein: „Die Demonstration verlief ruhig.“ Eine Person sei kurz festgenommen und 55 Aufenthaltsverbote ausgesprochen worden.

Andreas Speit