Tropische Fische und Pflanzen machen‘s sich in den Flüssen gemütlich

Schon lange tummeln sich Piranhas und andere tropische Arten in der Erft. Mit dem geplanten Braunkohlekraftwerk Neurath wird sich das Wasser weiter erwärmen, kritisiert der BUND-Landesverband NRW. Die Genehmigung der Dreckschleuder verstoße daher gegen die EU-Wasserrichtlinie, glaubt der Verband und begründet so die Beschwerde bei der EU

KÖLN taz ■ Piranhas werden in der Erft immer wieder gesichtet. Natürlich kommen die Aasfresser – ebenso wie Guppys, Rotwangenschildkröten oder Sonnenbarsche – eigentlich aus wärmeren Gefilden. In dem Flüsschen westlich des Rheins fühlen sie sich aber trotzdem pudelwohl. Dass immer mehr tropische Tier- und Pflanzenarten in hiesigen Gewässern heimisch werden, ist längst bekannt. Aber auf einmal ist das Thema wieder akut geworden. Denn die Piranhas sind eins der Argumente des BUND in seiner Beschwerde gegen das geplante Braunkohlekraftwerk Neurath bei der EU-Kommission.

Die ersten Versuche mit der Neuansiedlung von Piranhas und anderen Tropenbewohnern in der Erft haben vor ein paar Jahren vermutlich ein paar Aquarianer oder Gartenteichbesitzer gestartet. Wahrscheinlich waren sie ihres Hobbys überdrüssig geworden und wussten nicht, wohin mit dem lieben Vieh. Dass die Neulinge nun in dem Fluss überhaupt ein paar Tage überleben können, verdanken sie den Wassereinleitungen aus dem Braunkohleabbau. 520 Millionen Kubikmeter Wasser jährlich „spendet“ allein der Tagebau Hambach dem Fluss, erklärt der Geschäftsführer von BUND-Landesverband Nordrhein-Westfalen, Dirk Jansen. Das saubere aber warme „Sümpfungswasser“ wird aus mehreren hundert Metern Tiefe abgepumpt, um den Tagebau trocken zu halten und an die begehrte Kohle heranzukommen. Dazu kommt das Kühlwasser aus dem Braunkohlekraftwerk Frimmersdorf – und künftig auch das vom neuen Kraftwerk Neurath. Weil die Erft also zu einem ganz großen Teil aus warmen Abwässern besteht, ist sie auch im Winter nie kälter als 10 Grad – und bietet manchen Tropenbewohnern fast schon ideale Lebensbedingungen. Die Piranhas würden dort zwar nicht wirklich heimisch und sich dort auch nicht fortpflanzen, sagt Udo Rose, Biologe beim Erftverband. Manche Pflanze hingegen habe in der Erft durchaus ein neues Zuhause gefunden – etwa das aus Südamerika stammende Wassertausendblatt und die dichtblättrige Wasserpest.

„Auch in anderen Flüssen gibt es etliche Arten, die dort nichts zu suchen haben“, sagt Jansen – und verweist auf die amerikanischen Flusskrebse im Rhein oder die Schmuckschildkröten im Schwelm-Nettetal. Aber nirgendwo sei die Situation so prekär wie bei der Erft. „Die Erft ist nur wegen des Sümpfungswassers überhaupt noch ein Fließgewässer.“ Wenn der Tagebau Hambach eines schönen Tages stillgelegt werde, „fällt sie trocken“. Es sei denn, man führe ihr – auf Jahrzehnte – künstlich Wasser zu. Oder mache ihr gleich ein neues Bett, in dem sie auch mit weniger Wasser weiter fließen kann. „Auch dazu gibt es schon Planspiele“, sagt der Mann vom BUND. Dass die Erft nicht mehr wie jeder andere Fluss ausreichend Wasser von einer natürlichen Quelle bekommt, liegt natürlich auch an der Braunkohle. Denn wegen jahrzehntelangen Abpumpens hat der Fluss seinen Anschluss an den gesunkenen Grundwasserspiegel längst verloren, erklärt Jansen. „Übrigens hat RWE für diesen milliardenfachen Wasserverbrauch nie einen einzigen Wasserpfennig bezahlen müssen.“

Und in diese vermurkste Wassersituation, von der sich Erft und Grundwasser erst in Jahrhunderten erholen werden, wie Jansen sagt, will der Energiekonzern nun noch einen drauf setzen und bei Neurath ein neues Braunkohlekraftwerk bauen. Der BUND will das verhindern mit dem Argument, der Plan verstoße gegen die EU-Wasserrahmenrichtlinie. Denn die verpflichte Deutschland und auch das Land NRW, bis 2015 für einen „guten Zustand“ der Oberflächengewässer zu sorgen. „Dazu gehört auch ein Verbot jeglicher Verschlechterung der Situation“, so Jansen. Und die Verdoppelung der Kühlwasser-Abwässer in die Erft, wie sie in den Plänen für Neurath vorgesehen ist, sei nun ganz eindeutig eine Verschlechterung der Wasserqualität der Erft. Das werden die warmwasserliebenden Piranhas wohl anders sehen. Aber wen interessiert das? SUSANNE GANNOTT