Erben haben Recht auf Wertheim-Millionen

Ende eines Musterprozesses um jüdisches Erbe: Gestern bestätigte das Bundesverwaltungsgericht Leipzig,dass die Jewish Claims Conference, Vertreterin der Wertheim-Erben, ein Recht auf Entschädigung hat

FREIBURG taz ■ Die Jewish Claims Conference (JCC) hat den Musterprozess um das Erbe der jüdischen Kaufmannsfamilie Wertheim gewonnen. Der Karstadt-Konzern, der über verschiedene Stationen Rechtsnachfolger der Wertheim-Kette wurde, muss der JCC demnächst wohl einige hundert Millionen Euro Entschädigung bezahlen. Das Verfahren gilt als wegweisend für viele andere Immobilien in der Berliner Innenstadt, unter anderem das Beisheim-Center am Potsdamer Platz.

Ende des 19. Jahrhunderts hatte die aus Stralsund kommende Kaufmannsfamilie Wertheim am Leipziger Platz ihre Warenhaus-Kette begründet. 1938 aber mussten die drei Wertheim-Brüder Franz, Wilhelm und Georg ihr Unternehmen weit unter Wert an ein „arisches Konsortium“ verkaufen. 1951 übernahm Hertie die Wertheim-Kaufhäuser. 1999 wurde Hertie von Karstadt geschluckt.

Im konkreten Fall ging es um den Stammsitz von Wertheim an der Leipziger Straße, der schon 1937 an die Reichsbahn verkauft worden war. Karstadt wollte als Nachfolger von Wertheim den Verkaufserlös zurückhaben. Doch das Landesamt für Offene Vermögensfragen entschied, dass der damalige Verkauferlös an die Jewish Claims Conference gehen sollte. Diese Organisation trat nach der Wiedervereinigung immer auf, wenn sich bis zur zur gesetzlichen Frist 1992 keine persönlich berechtigten Erben meldeten.

Gegen diese Entscheidung hatte Karstadt beim Verwaltungsgericht Berlin und gestern nun auch beim Bundesverwaltungsgericht in Leipzig erfolglos geklagt. Karstadt berief sich darauf, der rechtmäßige Nachfolger der ehemaligen Eigentümer zu sein. Die Leipziger Richter hielten dagegen, dass nur der von Arisierung Betroffene, seine Erben oder die JCC Ansprüche nach dem Vermögensgesetz geltend machen können, nicht aber Erwerber entsprechender Unternehmensrechte.

Das Grundstück an der Leipziger Straße soll etwa 15 Millionen Euro wert sein. Bis zum Frühjahr war in der unterirdischen Stahlkammer des ehemaligen Wertheim-Kaufhauses die Techno-Disko „Tresor“ untergebracht. Inzwischen entsteht dort ein Bürogebäude der Volksfürsorge. Die JCC wird den Großteil der jetzt zugesprochenen Einnahmen an die später doch noch aufgetauchten Wertheim-Erben weitergeben.

Die gestrige Entscheidung hat auch Auswirkungen auf zahlreiche andere Grundstücke in Berlin. Insgesamt soll es um Werte in Höhe von rund 500 Millionen Euro gehen. So hat Karstadt im Jahr 2000 das Lenné-Grundstück am Potsdamer Platz an Metro-Gründer Otto Beisheim verkauft, der dort das Beisheim-Center mit den Luxus-Hotels Ritz-Carlton und Marriott erbaute. Umgerechnet 145 Millionen Euro hatte Karstadt damals erhalten. Auch auf diese Summe erhebt die JCC Ansprüche.

Der angeschlagene Karstadt-Konzern hatte in seiner Bilanz keine Rückstellungen für solche Forderungen getroffen. Auch am Potsdamer Platz hatte sich Karstadt darauf berufen, der Konzern sei selbst Rechtsnachfolger der früheren jüdischen Eigentümer. CHRISTIAN RATH