Aus Butt wird Koi

Doris Dörries Beziehungskomödie „Der Fischer und seine Frau“ mischt Japanklischees, staubige Geschlechterrollen und ein Grimm’sches Märchen

Alexandra Maria Lara lässt keine Szene aus, in der sie die Augen rollen und die Gesichtsmuskeln spielen lassen kann

von CLAUDIA LENSSEN

Fische zum Sprechen zu bringen ist eine schöne Sache im Märchen und folglich ideal fürs Kino. Auch kleiden knallig bunte Farben einen Fisch ebenso schön wie einen Model-Körper beim Wasserballett. „Manntje, Manntje, Timpe Te/Buttje, Buttje in der See“ –, Doris Dörrie hat das berühmte Märchen der Brüder Grimm als Kinderfilm über Erwachsene adaptiert. Sie macht es wie in ihren Operninszenierungen: Ganz viel Deko soll helfen, ihre Lieblingsmotive aus japanischem Ethno-Pop und deutscher Beziehungskomödie zum Cocktail zu mixen. Und eingefleischte Dörrie-Fans bekommen bei dem Lärm um Karriere versus Liebe vermutlich ihre buddhistisch angehauchte Lebenslehre mit. Eine alte ambivalente Geschichte wird zur Zeitgeistklamotte ausgeweitet, deren hübsche Farbspektakel die lausige Schauspielerei, den mangelnden Erzählrhythmus und die banal konservative Botschaft kaum übertünchen können.

„Myne Frau, de Ilsebill/ will nich so, as ik wol will“ – Im Märchen bekommt ein gutmütiger Fischer Ärger mit seiner Frau, weil er nichts nach Hause gebracht hat. Seinen Fang, einen dicken Butt, hat er wieder losgelassen, als dieser sich als verwunschener Prinz zu erkennen gab. Die Frau aber will die Chance nutzen, endlich aus ihrer stinkenden Hütte herauszukommen. Sie fordert von ihrem Mann, den Fisch um die Erfüllung ihres Wunsches zu bitten. Was folgt, ist eine Geschichte über die Gier der Frau, die sich mit jedem Wunsch an den Butt mehr Reichtum, Ansehen und Macht herbeizaubert, bis sie alles wieder verliert.

Bei Doris Dörrie ist der Zauber-Butt zum Koi-Barsch mutiert, einer japanischen Fischsorte, die unter Züchtern und Sammlern sehr viel Geld zirkulieren lässt. Im Märchen ist der Mann bloß schwaches Medium für einen Traum der Frau, den sie nicht selbst verwirklichen kann. Im Film geht es um Rollenklischees, die zwischen Gender-Debatte und Ratgeberliteratur die Beziehungsmuster auf den Punkt bringen: Weichei-Mann trifft auf komplementäres Temperament, Typ aufstiegsorientierte, kreativ-dynamische Powerfrau. Das kann nicht gut gehen, warnt Doris Dörrie und buchstabiert zum Brüllen komisch durch, dass die Geschäftsinteressen einer Frau ihren Hausmann zum Deppen degradieren und das Gegenteil von Liebe sind. Erfolg ist schädlich, können Frauen hier mit viel Comedy-Quatsch zur Kenntnis nehmen. Ein nörgelndes Koi- Pärchen (verwunschener Prinz plus frustrierte Prinzessin) zieht den Film über seine Kreise und hofft kommentierend auf ein Wunder: Falls Ida und Otto sich wiederfinden, werden sie selbst aus ihrer Koi-Existenz befreit.

Christian Ulmen gibt Otto, einen Experten für Fischbakterien, als verspielten Teddybär mit kurzsichtigem Silberblick. Die Ilsebill des Films heißt Ida, ist Modedesignerin und trampt durch Japan, um sich von den Fischmustern zu neuen Stoffen und Kleidern (Design: Bernd Lepel) inspirieren zu lassen. Alexandra Maria Lara lässt angesichts einer in Agonie befindlichen Regie keine Szene aus, in der sie die Augen rollen und Gesichtsmuskeln spielen lassen kann, als wolle sie das Ausdrucksmanko ihres Partners mit schrillem Chargieren ausgleichen. Ida verliebt sich in Otto statt in dessen Auftraggeber Leo, einen schleimigen Businessman, den Simon Verhoeven mit nichts weiter als großem weißem Grinsgebiss darstellt. Das Paar heiratet in Japan, tourt im Bus und streitet sich im englischen Garten übers Kinderkriegen. Ida braucht Kredit, den sie von der Mode- und Koi-Sammler-Society nicht bekommt, bis eines Tages Ottos einziger Besitz, die kommentierende Koi-Frau, ihr Schuppenkleid in ein delikates Rot-Schwarz-Weiß verzaubert und ihren Wert als Anlageobjekt optimiert. Jetzt endlich finanziert Otto Idas Unternehmen, aber was hat ihre Liebe davon?

Doris Dörrie hat ein Händchen für Zeitgeist-Befindlichkeiten, seit 20 Jahren besetzt sie damit ihren Platz im deutschen Mainstreamkino. Hier aber entschädigen das Design, die Nummernrevue der Modenschauen, der hysterische Spaß der Akteure nicht über ihre lahme Botschaft hinweg. Unter der Hand gerät ihr die Geschichte über die wahre Liebe in Zeiten verschärften Aufstiegskampfes zu einer pathologischen Typenlehre: Ida und Otto wirken wie zwei notorisch liebessüchtige Narzisse, die quengelnd Gefühle fordern: anstrengend statt komisch.

„Der Fischer und seine Frau“, Regie: Doris Dörrie. Mit Christian Ulmen, Alexandra Maria Lara u. a., Deutschland 2004, 100 Min.