Kahler Süden, nasser Norden

Internationale Studie simuliert die Auswirkungen des Klimawandels auf die Regionen Europas

AUS FREIBURG BERNWARD JANZING

Vor allem die Mittelmeerländer und die europäischen Bergregionen müssen sich in den kommenden Jahrzehnten auf unangenehme Klimaveränderungen gefasst machen. In Südeuropa wird Wassermangel immer häufiger. Und Flüsse, die sich aus den Alpen speisen, werden öfter über die Ufer treten.

Zu diesem Ergebnis kommt eine gemeinsame Studie von 16 europäischen Forschungsinstituten, die in der aktuellen Ausgabe der Fachzeitschrift Science publiziert wurde. Das Forschungsprojekt sei das erste, das „die Auswirkungen des globalen Wandels auf die vielfältigen Prozesse, die für das menschliche Wohlergehen bedeutsam sind, wissenschaftlich untersucht hat“, heißt es am Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung, das die Studie wissenschaftlich koordiniert hat.

Die Forscher gehen für das Jahr 2080 von einem Kohlendioxidgehalt in der Erdatmosphäre zwischen 518 und 779 ppm (parts per million) aus. Der heutige Anteil des Treibhausgases liegt bei 370 ppm, in vorindustriellen Zeiten hatte er bei 280 ppm gelegen. Der aktuelle Anstieg um jährlich etwa 0,4 Prozent resultiert aus der Verbrennung fossiler Energieträger. Da das CO2 die Sonneneinstrahlung zwar durchlässt, die Wärmeabstrahlung der Erde in den Weltraum jedoch hemmt, steigen mit dem CO2-Gehalt auch die globalen Temperaturen.

Die aktuelle Studie geht für 2080 in Europa von einem Anstieg gegenüber den Jahren 1961 bis 1990 um 2,1 bis 4,4 Grad aus. Temperaturerhöhung um 2 Grad – das klingt wenig. Doch entspricht diese einer Verschiebung der Klimazonen um beachtliche 200 Höhenmeter. Entsprechend kommen die Wissenschaftler zu dem Schluss, dass die schneesicheren Gebiete der Alpen nicht mehr ab 1.300 Meter Höhe, sondern erst ab 1.500 bis 1.750 Meter zu finden sein werden. Ein Anstieg der Schneegrenze um 300 Meter reduziert in der Schweiz die schneesicheren Skigebiete von 85 auf 63 Prozent der Landesfläche.

Das hat auch für den Wasserhaushalt von Rhein, Rhone und Donau, die sich alle zum Teil aus den Alpen speisen, erhebliche Konsequenzen. Da der Anteil des Schnees an den Niederschlägen abnimmt, fließt im Winter vermehrt Wasser aus den Alpen ab und erhöht damit die Pegelstände; die Gefahr von Winterfluten an den betreffenden Bächen und Flüssen wächst. Aufgrund der gleichzeitig abnehmenden Gletscherflächen wird der Abfluss im Sommer hingegen geringer – mit erheblichen Konsequenzen auch für die Schifffahrt und die Wasserkraft.

Gleichzeitig kalkulieren die Forscher mit abnehmenden Sommerniederschlägen auf der Iberischen Halbinsel: Zwischen Juni und August dürften die Regenmengen um 14 bis 27 Prozent abnehmen. So werde der Klimawandel dazu führen, dass „bis zum Jahr 2080 zusätzliche 14 bis 38 Prozent der Bevölkerung des Mittelmeerraums in Gebieten mit erhöhtem Wassermangel leben“ werden, heißt es in der Studie. Damit steigt auch das Waldbrandrisiko. Unterdessen werden die Niederschläge in Gesamteuropa in der Jahressumme vermutlich leicht zunehmen.

Und schließlich bringt der Klimawandel auch Verschiebungen von Vegetationszonen. „Die Verantwortlichen für den Naturschutz werden mit erheblichen Veränderungen in der Häufigkeit und Verbreitung von Tier- und Pflanzenarten rechnen müssen“, erklärt die federführende Potsdamer Wissenschaftlerin Dagmar Schröter. Sie verweist zwar darauf, dass in der Gesamtbilanz Europa im Vergleich zu anderen Regionen der Welt beim Klimawandel noch relativ glimpflich davonkommen werde. Doch zugleich ist die Studie weit davon entfernt, Entwarnung zu geben. Europa, sagt Schröter, werde nämlich härter getroffen, als bislang vermutet wurde.