Späteinsteiger oder Buddha mit Sprengsatz

Zwei Ministerpräsidenten sind die aussichtsreichsten Kandidaten für Münteferings Nachfolge: Matthias Platzeck und Kurt Beck

BERLIN taz ■ Matthias Platzeck sollte auf dem Parteitag in die SPD-Spitze aufrücken – allerdings nicht ganz an die Spitze. Der Ministerpräsident von Brandenburg, so lautete der Plan, wird Nachfolger von Wolfgang Thierse als SPD-Vize für den Osten. Auf diese Weise ist er ganz vorne dabei, aber nicht gezwungen, jede Grausamkeit und jeden Patzer des Bundeskabinetts mitzutragen. Und in vier Jahren hat die SPD einen prächtigen Kanzlerkandidaten! Die Aufbauzeit könnte sich stark verkürzen. Auf zwei Wochen.

Gestern hat sich Platzeck vorsorglich bereit erklärt, Verantwortung zu übernehmen. Schon zweimal ließ sich der 51 Jahre alte Potsdamer nicht bewegen, nach Berlin zu gehen. 2002 sagte er Gerhard Schröder ab, als der ihn ins Kabinett holen wollte. Und dieses Jahr mochte er auch nicht Minister in einer großen Koalition werden. Würde er SPD-Vorsitzender, wäre das die nächste Frage. Die Antwort hängt natürlich auch davon ab, ob Müntefering Vizekanzler wird. Viel spricht dafür, dass ein neuer SPD-Chef auch im Kabinett sitzt, um nicht ständig Regierungsbeschlüsse wieder einsammeln zu müssen.

Platzeck ist in der SPD beliebt und wird auch keiner Parteiströmung zugerechnet. Er hat von der großen Koalition in Potsdam her jahrelange Erfahrung mit der CDU, und als ehemaliger Bürgerrechtler vom Bündnis 90 kennt er sich auch mit den Grünen aus. Platzeck wäre der erste Sozialdemokrat, der nur zehn Jahre nach seinem Eintritt in die Partei ihren Vorsitz übernimmt. Er wurde erst Mitglied, als Bündnis 90/Die Grünen, auf deren Ticket er Brandenburgs Umweltminister geworden war, 1994 aus der Landesregierung flogen. Den Stallgeruch der SPD hat Platzeck dann schnell angenommen und immerhin sind sein Opa und sein Uropa Sozialdemokraten gewesen.

Im Gegensatz zu Platzeck ist Kurt Beck schon seit 33 Jahren in der SPD. Er war Funkelektroniker bei der Bundeswehr in Bad Bergzabern, als er der Partei von Willy Brandt beitrat. Nun wird der Südpfälzer als SPD-Vorsitzender gehandelt. Der Chef der SPD/FDP-Koalition in Mainz ist schon als Krisenberuhiger im Gespräch, seit die SPD im Frühjahr in Schleswig-Holstein scheiterte. Das ist bemerkenswert für den 56 Jahre alten Landesvater: Jahrzehnte wirkte er nur in seiner Heimat. Sein Erfolgsrezept war stets, das Gefühl zu vermitteln: Dieser Mann ist zufrieden mit seinem Amt. Aber er ist seit 2003 auch einer von fünf stellvertretenden SPD-Vorsitzenden, und über die Jahre sind der SPD auch die Regierungschefs ausgegangen. Aber das ist nicht der einzige Grund, der den Südpfälzer jetzt zu einem geeigneten Kandidaten machen könnte. Beck ist in der Partei verwurzelt. Und er tritt gern als Moderator auf, als Harmoniemensch, das kann die SPD jetzt brauchen. Allerdings leistet er sich gelegentlich auch Wutausbrüche. „Buddha mit Sprengzündung“ hat ihn Andrea Nahles mal genannt. Sie kommt aus demselben Landesverband wie Beck. Würde er Chef und sie Generalsekretärin, gäbe das vielleicht ein Proporzproblem. Vorsitzender und dann noch Minister in Berlin zu werden, wäre für Beck und die SPD jedoch riskant. Denn am 26. März sind Wahlen in Rheinland-Pfalz. Ohne einen Spitzenkandidaten Beck hätte sie gute Chancen, noch einen Ministerpräsidenten zu verlieren. Dann wären es nur noch drei. GEORG LÖWISCH