Ver.di fordert Kündigungsverbot

Trotz Rekordgewinnen werden tausende Jobs im Versicherungsgewerbe vernichtet

HAMBURG taz ■ Trotz Rekordgewinnen werden tausende Jobs im Versicherungsgewerbe vernichtet. Das befürchtet jedenfalls die Dienstleistungsgewerkschaft Ver.di und will darum erstmals die Sicherung von Arbeitsplätzen in einem Tarifvertrag festschreiben. Für rund 240.000 Beschäftigte treten am heutigen Freitag die Tarifverhandlungen in ihre entscheidende Phase.

„Das Versicherungsgewerbe ist eine Zukunftsbranche mit sehr guten wirtschaftlichen Ergebnissen und guten Aussichten“, sagt Ver.di-Verhandlungsführer Uwe Foullong, „daran müssen die Beschäftigten beteiligt werden.“ Bei Rationalisierungen und Umstrukturierungen sollten künftig betriebsbedingte Kündigungen ausgeschlossen sein. Hintergrund dieser Forderung sind Pläne fast aller großen Versicherungskonzerne, trotz hoher Gewinne Arbeitsplätze abzubauen. „Das aktuelle Beispiel Allianz-Versicherung zeigt, dass selbst Beschäftigte aus Unternehmen mit Rekordgewinnen Angst um ihren Arbeitsplatz haben müssen.“ Für solche Fälle will Ver.di-Vorstand Foullong ein tariflich gesichertes Kündigungsverbot durchsetzen, „das Entlassungen bei hohen Gewinnen ausschließt“.

Auslöser für die neuartige Forderung sind die jüngsten Erfahrungen mit Deutscher Bank und Allianz. So steigerte die Allianz ihren Gewinn um mehr als die Hälfte und kündigte gleichzeitig eine weitgehende Umstrukturierung des Konzerns an, durch die nach Auffassung der Gewerkschaft mindestens 5.000 Jobs verloren gehen werden. Auch andernorts erwartet Ver.di in den kommenden drei Jahren „einen deutlichen Arbeitsplatzabbau“. In der Ergo-Gruppe könnte die Angleichung von Produkten und Arbeitsabläufen zwischen Hamburg-Mannheimer, Victoria, DKV und D.A.S. etwa 1.500 Beschäftigte ihren Job kosten. Auch bei Generali, mit Aachen-Münchener, Volksfürsorge und Cosmos Direkt die Nummer drei am deutschen Markt, werde die Umsetzung der Vorgaben aus der Konzernzentrale in Triest Arbeitsplätze im vierstelligen Bereich kosten, befürchtet Ver.di. Notwendig ist dafür „eine Industrialisierung der Verwaltung und der Produkte“, so Foullong, wie sie die ganze Branche erfasst hat. Um Kosten zu senken, werden beispielsweise Kfz-Policen standardisiert und in Form von Baukastensystemen und mit lediglich unterschiedlichen Etiketten den Kunden angeboten.

Die Versicherungswirtschaft hält die Ver.di-Zahlen allerdings für „reine Spekulation“. In der Vergangenheit sei man sehr vorsichtig mit dem Abbau von Arbeitsplätzen umgegangen, und dies werde man auch in Zukunft tun, versichert Jörg Müller-Stein. Müller-Stein ist Hauptgeschäftsführer des Arbeitgeberverbandes der Versicherungsunternehmen in Deutschland (AGV). Allerdings zwinge der Globalisierungsdruck dazu, Kosten einzusparen, daher werde es einen „leichten Abbau“ beim Personal in den kommenden Jahren geben. Im Vergleich zu anderen Branchen ist die Assekuranz spät dran, meinen Experten. Erst seit 2002 sinkt langsam die Zahl der Beschäftigten in einer der erfolgreichsten Branchen in Deutschland. Um so drastischer könnte der zukünftige Personalabbau ausfallen. HERMANUS PFEIFFER