Durchregieren kann teuer werden

Auch im Bundesrat kommen Union und SPD auf eine Mehrheit. Länder mit großen Koalitionen wie Bremen oder Schleswig-Holstein gewinnen deshalb an Einfluss: Wenn sie Merkel Mehrheiten liefern sollen, möchten sie auch etwas dafür bekommen

„Wir sind keine Abstimmungs-maschinen der Merkel-Regierung“

VON GEORG LÖWISCH

Bisher waren sie Neutren: Wenn CDU und SPD ein Bundesland gemeinsam regierten, enthielten sie sich bei strittigen Abstimmungen im Bundesrat der Stimme. Das dürfte jetzt anders werden. Denn wenn Angela Merkel ihren Traum vom „Durchregieren“ durch Bundestag und Bundesrat verwirklichen will, braucht sie neben den rein unionsgeführten Ländern die großen Koalitionen in Bremen, Brandenburg, Sachsen und Schleswig-Holstein. Sonst müsste sie Länder fragen, in denen auch die FDP mitregiert – aber die ist im Bund in der Opposition. So kommen die rot-schwarzen und schwarz-roten Länder ins Geschäft.

„Wir haben keinen Anlass, uns zu beklagen“, sagte Schleswig-Holsteins Bundesrats-Staatssekretär Klaus Schüler (CDU) der taz. „Das Gewicht Schleswig-Holsteins wird durch die große Koalition im Bund eher zunehmen.“ Bremens Regierungssprecher Klaus Schloesser erklärte: „Es ist eine Chance, wenn eine große Koalition in Bremen Ansprechpartner in einer großen Koalition in Berlin findet.“

Zurzeit muss der Bundesrat rund 60 Prozent der Bundesgesetze absegnen. Die großen Koalitionen verfügen zusammen mit den von der Union allein regierten Ländern über 36 Stimmen im Bundesrat. Bei 69 Stimmen insgesamt reichen 35 für eine Mehrheit. Bremen hat drei Stimmen, Sachsen, Schleswig-Holstein und Brandenburg haben je vier. Falls eines der vier Länder einmal nicht mitzieht, müsste Merkel ein Land gewinnen, in dem die FDP mitregiert. Die Liberalen würden sich die jeweiligen Sachverhalte genau angucken, heißt es aus dem Haus des niedersächsischen Wirtschaftsministers Walter Hirche, der die FDP in den Länderregierungen koordiniert. Die FDP wird also immer einen Preis verlangen – der wird hoch sein, denn sie möchte sich ja auch als Opposition profilieren.

Auch die großen Koalitionen möchten ihre Stimmen auf keinen Fall gratis abgeben. Sie haben keine Lust, willenlose Durchregier-Gehilfen abzugeben. Deshalb betonen sie schon mal, wie wichtig ihnen die Interessen ihres Landes im Bundesrat sind. „Bei aller Freude über eine große Koalition bleiben die Interessen Sachsens die Richtschnur“, stellt Sachsens Regierungssprecher Andreas Beese klar. Schleswig-Holsteins Staatsekretär Schüler erklärt, zwar werde Kiel die neue Bundesregierung stützen: „Aber: Die großen Koalitionen der Länder sind keine automatischen Abstimmungsmaschinen der Merkel-Regierung.“ Bremens Regierungssprecher verweist auf die Vereinbarung der dortigen großen Koalition. Darin steht: „Die Interessen des Landes haben absoluten Vorrang.“

Brandenburg befindet sich in einer Sondersituation: Ministerpräsident Matthias Platzeck wird als SPD-Chef in Berlin im Koalitionsausschuss sitzen. Gleichzeitig vertritt er im Brandenburg sein Land. Sein Sprecher, Thomas Braune, sagt vorsorglich, die Länder verhielten sich im Bundesrat ja nie rein nach der Farbe ihrer Regierungsparteien. „Die großen Koalitionen werden aber eine wichtige Rolle in der Koordinierung der Länder spielen.“

Tatsächlich sind im Bundesrat oft anderen Faktoren wichtig: Arm oder reich, groß oder klein, Ost oder West. Nur selten gelingt es Parteichefs, einen Länderblock dauerhaft auf Linie zu halten und dem Machtinteresse der Partei Vorrang zu geben – so wie Oskar Lafontaine, der über den Bundesrat in den letzten Monaten die Kohl-Regierung blockierte. Und eines haben die vier rot-schwarzen und schwarz-roten Länder gemeinsam: Sie gehören nicht zu den Reichen.

Bedeutsam für die Länder wird die Frage der Mehrwertsteuererhöhung sein. Sie möchten möglichst viel zum Stopfen ihrer Haushaltslöcher abhaben. „Vielleicht haben wir dann das letzte Mal was zu melden“, sagt ein Regierungsmann aus einer der großen Koalitionen. „Und danach wird es doch eine Abnickveranstaltung.“