Der alte Basta-Stil lebt immer noch

SPD-Führung wollte Delegierte über Personen und Inhalt gleichzeitig abstimmen lassen. Aber dann hatte man doch noch ein Einsehen. Koalitionsvertrag erhält 15 Gegenstimmen, Vizekanzler Müntefering eine

KARLSRUHE taz ■ Hendrik Bednarz versteht den Schachzug der SPD-Parteitagsregie als Misstrauen gegen mögliche Kritiker. Bevor die Debatte gestern richtig begonnen hat, prognostiziert der Vorsitzende der Jusos in Baden-Württemberg eine Zustimmung der SPD-Delegierten von „70 bis 80 Prozent“. Da sei es „unnötig“, so Bednarz, die Abstimmung über die Koalitionsvereinbarung mit dem Votum über die künftigen SPD-Minister und Vizekanzler Franz Müntefering zu verbinden.

Genau das aber hatte der Bundesvorstand am Sonntag beschlossen. Als der Antrag bekannt wird, führt das in der Karlsruher Messehalle zu einigem Kopfschütteln. Der alte Basta-Stil eines Gerhard Schröder scheint nicht totzukriegen zu sein. Einer, der es wissen muss, begründet: „Eine doppelte Sicherung, damit es nicht knallt.“ Weil es nach dem ganzen Abschiedsjubel um Gerhard Schröder und Franz Müntefering aber überhaupt nicht nach Aufstand riecht, hat das Parteitagspräsidium kurz vor der Abstimmung ein Einsehen. Die Abstimmungen über Programm und Personen werden getrennt. Rund 500 Stimmberechtigte stimmen der Koalitionsvereinbarung zu, 15 sind dagegen, 5 enthalten sich. Gegen die Minister gibt es keine Gegenstimmen, gegen Müntefering eine. Die kommt vom ehemaligen Staatsminister Christoph Zöpel – ein Protest gegen das seiner Meinung nach undemokratische Verfahren im Fall der Beinahe-Generalsekretärin Andrea Nahles.

Bei aller Kritik an Details des Kompromisses mit der Union teilen die meisten der Delegierten wohl die Einschätzung, die Franz Müntefering in seiner Rede vorgegeben hat: „Das ist kein marktradikales Programm. „Haben wir alles erreicht, was wir wollten?“, fragte der künftige Arbeitsminister: „Nein, aber einiges: die Reichensteuer, das Elterngeld, den Atomausstieg verteidigt und die Tarifautonomie gerettet.“

An diesen Punkten kommen auch Kritiker nicht vorbei. Ihnen bleibt, das Fehlen eines Investitionsprogramms für mehr Jobs zu bemängeln, den Erfolg des Konjunkturprogramms zu bezweifeln und ein Reformprogramm für die Krankenversicherung anzumahnen. Matthias Platzeck, künftiger SPD-Vorsitzender, hat keine Probleme, am Ende der Aussprache die Kritiker einzubinden: „Wir werden den gesellschaftlichen Zusammenhalt wahren – und zusammen erfolgreich sein.“ HANNES KOCH