Megaknast mutiert weiter

Ausbau auf Kosten der Insassen und eines Sportplatzes: Pläne für den Ausbau der Justizvollzugsanstalt Billwerder liegen in der Schublade der Justizbehörde. Bedienstete warnen vor Pulverfass im Mammutknast und prangern Arbeitsbedingungen an

von Kai von Appen

Die Pläne liegen schon in der Schublade: Allen Warnungen zum Trotz möchte Justizsenator Roger Kusch (CDU) die neue Justizvollzugsanstalt (JVA) Billwerder nach taz-Informationen weiter zum Geschlossenen Mammutknast ausbauen. In der dritten Ausbaustufe sollen nochmals zwei Hafthäuser für weitere 250 Insassen entstehen. Dabei werden in dem einst für 390 Haftplätze geplanten Gefängnisneubau ab Januar 2006, nach Ende der zweiten Ausbaustufe, ohnehin bereits 800 Gefangene eingesperrt sein. „Ein Pulverfass“, warnen Insider aus dem Strafvollzug.

Den Erweiterungsplänen zum Megaknast werden vor allem Freizeit- und Auslaufmöglichkeiten für die Insassen zum Opfer fallen. So seien die Planungen für einen Fußballplatz „bereits gestoppt worden“, berichtet ein Insider. „Ein großer Sportpatz ist für jede Anstalt von großer Bedeutung, was wäre Santa Fu ohne seine Fußballmannschaft.“

Weil das ursprünglich nur als mittlere Einheit geplante Gefängnis nicht mehr weiter in die Breite wachsen kann, sei die Verdichtungsvariante notwendig geworden. Früher geäußerte Alternativpläne – das Gefängnis etwa in die Höhe zu vergrößern – seien ebenfalls nicht machbar. Die zweigeschossigen Häuser stehen wegen des Marsch-Untergrundes auf Pfählen, die Statik lasse keine Aufstockung zu.

Justizbehördensprecher Carsten Grote bestätigt zwar grundsätzlich die Existenz von Plänen für einen dritten Bauabschnitt. Diese seien momentan aber nicht „virulent“, so Grote: „Die Entwicklungen der Gefangenenzahlen sind so, dass wir eine dritte Ausbaustufe einstweilen nicht benötigen“, erläutert er gegenüber der taz, „obwohl wir sie aufgrund der Bebauungspläne jederzeit in Angriff nehmen könnten.“ Auch wenn sich an der Entwicklung der Häftlingszahlen kurzfristig nichts ändern dürfte, wird der geplante Sportplatz der Anstalt für eine mögliche Erweiterung freigehalten. „Wir können schlecht von Steuergeldern einen Sportplatz bauen“, sagt Grote, wenn dieser in zwei, drei Jahren einer Erweiterung wieder weichen müsste.

In scharfer Form rechnet indes der Personalrat der JVA Billwerder mit den Zuständen ab. „Ein Krankenstand von 15 Prozent, und das nicht erst seit gestern“, klagt der Personalratschef Klaus Neuenhüsgen im aktuellen Forum, der Zeitschrift des Landesverband Hamburgischer Strafvollzugsbediensteter. Immer mehr Personal werde von der Justizbehörde abgebaut, in Billwerder sei die Zahl in diesem Jahr von 102 MitarbeiterInnen auf 88 im Allgemeinen Vollzugsdienst reduziert worden. „Die Arbeitsbelastung steigt, der Frust ebenfalls“, schreibt Neuenhüsgen und setzt sich kritisch mit dem Kusch-Konzept des Megaknastes auseinander.

Ende 2002 hatte der Senator die Ad-hoc-Entscheidung getroffen, den für 390 Inhaftierte konzipierten Komplex des offenen Strafvollzugs – eigentlich der Ersatz für die Anstalten auf dem ehemaligen KZ-Gelände Neuengamme – umzufunktionieren in einen Geschlossenen Knast für 800 Gefangene. Die JVA Billwerder mutierte damit zu einen der größten Geschlossenen Gefängnisse in Norddeutschland. „Eine Anstalt so groß und unüberschaubar, in der sich die KollegInnen und Kollegen mitunter wochenlang nicht zu Gesicht bekommen“, beklagt Neuenhüsgen, „geschweige denn ihrem Anstaltsleiter begegnen.“ In einer solchen Atmosphäre sei es schwierig, „Identität und Solidarität“ zu entwickeln, so Neuenhüsgen, „die so wichtig sind für unsere Arbeit.“