Polizei rechnet sich schön

Wie viele PolizistInnen es gibt, weiß anscheinend niemand so genau: Polizeipräsident und Innenverwaltung hantieren mit unterschiedlichen Zahlen. Gewerkschaft der Polizei spricht von „Verweigerung der Wirklichkeit“: Alle Angaben seien zu hoch

VON OTTO DIEDERICHS

Wie viele Polizeibeamtinnen und -beamte hat Berlin eigentlich? Im Grunde sollte man vermuten, dass zur Beantwortung dieser Frage ein kurzer Blick in die Unterlagen der Gehaltsabteilung reiche. Doch während das Lohnbüro eines jeden Kleinbetriebs ebenso wie jedes Wirtschaftsunternehmens in wenigen Minuten die Beschäftigtenzahlen errechnet, sieht das in der Berliner Verwaltung offenbar anders aus: Hier scheint heillose Verwirrung zu herrschen. Zumindest gewinnt man diesen Eindruck, wenn man die aktuellen Haushaltsberatungen verfolgt.

Rund 16.200 Polizisten habe es im Jahre 2004 gegeben, antwortete Innensenator Ehrhart Körting (SPD) Anfang 2005 auf eine entsprechende Anfrage des FDP-Abgeordneten Alexander Ritzmann. Im Sommer des Vorjahres hatte eine Arbeitsgruppe des Polizeipräsidenten noch eine Zahl von 17.000 errechnet. Schon zwei Monate später wies ihr Bericht dann überraschend circa 17.300 PolizistInnen aus. Und Körtings Innenverwaltung sowie Finanzsenator Thilo Sarrazin (SPD) ihrerseits waren zeitgleich sogar auf 18.000 gekommen.

Eine „Verweigerung der Wirklichkeit“ nennt Eberhard Schönberg, Landesvorsitzender der Gewerkschaft der Polizei (GdP), diesen Zahlenwirrwarr – und macht prompt seine eigene Rechnung auf. Schon Ende des Jahres 2003, so der GdP-Boss, habe die Berliner Polizei lediglich über 16.300 VollzugsbeamtInnen verfügt. Durch Pensionierungen, Stellenstreichungen und den bestehenden Ausbildungsstopp verringere sich deren Zahl bis 2010 zwangsläufig auf 13.800.

Es herrscht also Chaos im Club. Denn offiziell haben sich alle Seiten bereits darauf geeinigt, in jedem Falle eine Mindeststärke von 16.100 PolizistInnen beizubehalten. Für eine günstige Ausgangsposition bei den weiteren Verhandlungen rechnen sich also alle ihre Zahlen schön.

Heraus kommen bei solchem Tauziehen dann auch politische Meisterleistungen wie diese: Aufgrund der hohen Zahl potenziell gefährdeter Regierungsgebäude, ausländischer Botschaften und jüdischer Einrichtungen gilt der hohe Personalbedarf beim Objektschutz einerseits zwar als „gerechtfertigt“, andererseits sollen beim Wachschutz im nächsten Jahr dennoch 121 Stellen gestrichen werden.

Ähnlich sieht es bei der Polizeiverwaltung aus. Dort, so heißt es, seien Personalreduzierungen nur möglich, „wenn auch Aufgaben aufgegeben werden“. Von einem solchen Wegfall war bislang nicht die Rede. Einen Stellenabbau in den nächsten Jahren hat der Senat dennoch beschlossen.

Laut einer aktuellen Studie der Bertelsmann-Stiftung – der man hier keine eigenen Interessen nachsagen kann – ist Berlin im Vergleich der 16 Bundesländer in diesem Jahr „im Zielgruppenbereich Innere Sicherheit“ auf den vorletzten Platz gerutscht.