Rechtsextremer tötet nicht politisch

Ein 17-jähriger Neonazi wird wegen der Tötung eines Punks in Dortmund zu einer Jugendstrafe von sieben Jahren verurteilt. Gericht: Die Tat hatte keinen rechtsradikalen Hintergrund. Die extreme Rechte feiert ihren Helden

DORTMUND taz ■ Die Tötung eines 32-jährigen Punks am Ostermontag diesen Jahres in Dortmund war kein „Mord mit rechtsradikalem Hintergrund“. Dies verkündete das Landgericht Dortmund gestern. Der Angeklagte, ein 17-jähriger Neonazi, wurde wegen Totschlags zu einer Jugendstrafe von sieben Jahren verurteilt. Die Kammer blieb damit ein Jahr unter der Forderung der Staatsanwaltschaft. Die Verteidigung hatte auf sechs Jahre wegen Körperverletzung mit Todesfolge plädiert. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig, Staatsanwaltschaft und Verteidigung haben eine Woche Zeit, Revision einzulegen. Die Verhandlung wurde unter Ausschluss der Öffentlichkeit abgehalten, da der Täter minderjährig ist.

Der Verurteilte hatte am 28. März Thomas S. in einer Dortmunder U-Bahnhaltestelle mit mehreren Messerstichen getötet. Der Vater dreier Kinder starb kurz darauf im Krankenhaus. Der Neonazi gestand die Tat am folgenden Tag. „Die Kammer geht von keinem rechtsradikalen Hintergrund aus, da der Täter eher als Mitläufer bekannt sei“, sagt Gerichtssprecher Armin Sabrowsky. Der Vorsatz der „Heimtücke“ sei daher nicht erkennbar gewesen. „Dennoch wurde deutlich, dass sich der Täter auf Grund seines äußeren Auftretens und seiner Aussagen in der rechten Szene wohl fühlte“, so Sabrowsky weiter. Auch die Dortmunder Polizei ging in der Folge von einer „ungeplanten Einzeltat“ aus. Rechtsextremistische Strafen in Dortmund seien im laufenden Jahr rückläufig gewesen, sagte Polizeisprecher Peter Schulz.

Dabei gilt Dortmund seit Jahren als eine der Hochburgen der organisierten Neonazis: Die „Kameradschaft Dortmund“ um den mehrfach vorbestraften ehemaligen Chef der verbotenen Neonazi-Partei FAP, Siegfried „SS-Sigi“ Borchardt, sowie seinen Stellvertreterinnen Katja Jarminowski und Karin Lenzdorf erhielt in den vergangenen Jahren erheblichen Zulauf. Der gestern Verurteilte ist dort fest verankert. Im meinungsbildenden Szene-Forum der „Kameradschaften“, freier-widerstand.net, wurde der Prozess folgendermaßen kommentiert: „Kamerad wegen Mordverdacht in U-Haft!“. Als Verteidiger des 17-Jährigen trat auf Initiative der „Kameradschaft Dortmund“ der renommierte Dortmunder Rechtsanwalt Ralf Neuhaus auf.

Die Dortmunder „Kameraden“ arbeiten eng mit Neonazis aus dem Raum Unna/Kamen und der „Kameradschaft Hamm“ zusammen. Der Verfassungsschutz geht von bis zu einhundert militanten Neonazis aus. „Die Machtfrage wurde gestellt und wurde für uns befriedigend beantwortet“, hieß es in einem im Internet veröffentlichten Kommentar zum Mord an Thomas S. Plakate mit dem Motto „Wer der Bewegung im Weg steht, muss mit den Konsequenzen leben“, wurden in der Dortmunder Innenstadt geklebt. Als Verantwortlicher im Sinne des Presserechts zeichnete der aus dem Kölner Raum stammende Neonazi Axel Reitz. Er ist führender Aktivist des „Aktionsbüro Westdeutschland“, der „Kameradschaft Köln“ und des „Kampfbund Deutscher Sozialisten“ (KDS).

Vor einigen Wochen standen in Dortmund drei Mitglieder der Neonazi-Band „Weisse Wölfe“ wegen „Volksverhetzung“ und „Gewaltverherrlichung“ vor dem Amtsgericht – darunter auch der Sänger der Dortmunder Band „Oidoxie“, Marko Gottschalk. Die Verhandlung wurde wegen der Erkrankung des Hauptbelastungszeugen auf das kommende Jahr verschoben. Die angeklagten Rechtsrocker liefern als Teil der militanten Szene den Soundtrack zu den neonazistischen Straftaten. HOLGER PAULER