Drei Professoren, die zu sichtbar sind

Der Göttinger Uni-Präsident will bei den Politologen drastisch kürzen – um eine „Schwachstelle“ zu beseitigen. Weil Gutachten das Urteil nicht stützen, taucht die Frage auf: Stört sich das Ministerium an den streitbaren Forschern?

BERLIN taz ■ Es gibt einen Malus, der stets gegen die Betroffenen ins Feld geführt wird. Egal wer sich über die Politikwissenschaft an der Universität Göttingen äußert, irgendwann heißt es: „Die Professoren haben ja vor allem in den Medien eine guten Ruf.“ Wobei das vor allem eine besondere Intonation erfährt. So sagt es der Sprecher des Ministers, so tuscheln es die unbekannten Professoren, so steht es verklausuliert in Gutachten.

Die Rede ist von fünf PolitologInnen, nicht mal so viel, dass man von einem Fachbereich sprechen kann. Aber dennoch kennt die halbe Republik die Göttinger Politikwissenschaft, sofern sie hin und wieder Zeitung liest. Denn mit Bassam Tibi, Peter Lösche und Franz Walter agieren an der Augusta drei eloquente Figuren, deren Einschätzungen man schwerlich entgehen kann. Erst heute findet sich wieder einer in der Zeitung. Die Zeit veröffentlicht ausnahmsweise nicht einen Text des brillanten Autors, sondern einen über ihn. „Walters Analyse“, heißt es da, „war präziser als jede Demoskopie.“ Gemeint ist die auf kluge Argumentationen gestützte Voraussage vom Sommer, Schwarz-Gelb werde keine Mehrheit bei der Bundestagswahl bekommen.

Mit den Göttinger drei dürfte an der Georg-August-Universität bald Schluss sein. Jedenfalls wenn es nach dem Vorschlag des Uni-Präsidenten geht, eines Biochemikers, der Anfang des Jahres sein Amt antrat. Kurt von Figura möchte die Politikwissenschaft von fünf auf zwei Professuren zurückfahren. Wegfallen sollen Parteienforschung, die Politische Theorie und Internationales. Übrig blieben Didaktik und Allgemeine Politik.

Jetzt hebt das übliche Geraune an. Wie etwa gestern, als eine Vollversammlung der Studierenden beklagte, das Humboldt’sche Ideal sei gefährdet, wenn „das Sterbeglöckchen für eines der profiliertesten politikwissenschaftlichen Seminare Deutschlands“ geläutet wird. Die Empörung richtet sich auch gegen den Stil, mit dem von Figura die de-facto-Abwicklung der Politik begründete. In öffentlicher Rede porträtierte er die Göttinger Politikforschung als eine Schwachstelle, die auszumerzen sei. Eine Entgleisung, die der lange im Hauptausschuss der Deutschen Forschungsgemeinschaft beheimatete Professor gar nicht erst zu rechtfertigen versucht. „Ich habe ein Unwort benutzt. Das war nicht meine Absicht“, sagt er.

Bassam Tibi, ein umtriebiger Politologe, der heute in Washington und morgen in Singapur auf Kongressen vorträgt, sagt dazu nur: „Ich möchte in Deutschland grundsätzlich nicht ausgemerzt werden. Und ich bin auch keine Schwachstelle.“

Tatsächlich steht nun der Göttinger Präsident schwach da. Sein wesentliches Argument lautet, dass – ausgerechnet – die Göttinger Politikwissenschaft nicht bemerkt werde. „Es geht darum, sichtbare Schwerpunkte in der Politikwissenschaft zu bilden“, sagt er. Doch die wissenschaftlichen Gutachten über die Politik an der Uni Göttingen sagen etwas ganz anderes. Über die Parteienforschung heißt es in der Expertise: „Das Fachgebiet hat am Standort Göttingen die relativ besten Aussichten, in Zukunft mehr internationale Sichtbarkeit zu gewinnen.“

Wie kommt der Uni-Präsident zu einem Vorschlag, wenn er fachlich nicht urteilen mag, zugleich aber die Fachleute seine Einschätzung für die Parteienforscher nicht stützen? Liegt es daran, dass man dem Präsidenten im Ministerium sachdienliche Hinweise gegeben hat. Dort, in Hannover, in einem der Büros von Wissenschaftsminister Lutz Stratmann (CDU), fanden so genannte Clustergespräche statt. Das bedeutet: Präsident, Staatsekretär und ein Forschungsbeamter sprechen darüber, wo im Land das Gute zu clustern, also anzuhäufeln sei. Und fällen ein Urteil. „Die sind zu dem Schluss gekommen“, hört man im Ministerium, „die Politikwissenschaften in Hannover zu stärken.“

Heißt dass, das die Landesregierung die unbequemen Feuilletonpolitologen los werden will? Nein, wiegelt Stratmanns Sprecher Philipp Reiter ab, „das ist eine freie Entscheidung, die der Göttinger Präsident vertreten muss.“ CHRISTIAN FÜLLER