Falsche Reifen kosten Geld

Wer auf verschneiten Straßen mit Sommerreifen Auto fährt, soll bald mindestens 20 Euro Bußgeld zahlen. Aber Winterreifen sorgen nicht immer für gute Bodenhaftung

BERLIN taz ■ Der Winter lässt die deutschen Autofahrer kalt: 20 Millionen Autofahrer, also gut die Hälfte, fahren ohne Winterreifen durch die eisige Jahreszeit. Nun will der Bundesrat am 16. Dezember ein neues Bußgeld für Autofahrer beschließen, die ihr Fahrzeug nicht den „Wetterverhältnissen angepasst“ haben.

Im Klartext: Wer ab 1. Januar 2006 bei Schnee und Eis mit Sommerreifen fährt, muss 20 Euro Strafe zahlen. Für Autos, die liegen bleiben, weil sie nicht wintertauglich sind, werden sogar 40 Euro fällig. Reifenhersteller raten seit langem: „Ab 7 Grad auf Winterreifen umsteigen“.

Werner Sauerhöfer vom Deutschen Verkehrssicherheitsrat (DVR) erklärt: „Wenn die Temperaturen unter 7 Grad fallen, verhärtet sich die Gummimischung von Sommerreifen.“ Und hartes Gummi verlängere den Bremsweg. Deshalb sind für ihn „Winterreifen die Lösung“. Der DVR hat dieses Jahr zusammen mit der Reifenindustrie die Kampagne „Pro Winterreifen“ gestartet.

Allein: Viele Experten halten die „7-Grad-These“ für eine Werbestrategie. „Die 7 Grad sind völlig willkürlich gewählt und durch keinen Test belegt“, kritisiert der ADAC-Reifenexperte Ruprecht Müller. Unstrittig sei nur, dass Winterreifen auf Schnee und Eis gegenüber Sommerreifen im Vorteil sind. Doch in schneearmen Regionen Deutschlands mit nasskaltem Wetter sind die Vorteile des Winterreifens weniger deutlich.

So hat die Zeitschrift Autobild bei Temperaturen unter 7 Grad Nachteile des Winterreifens ermittelt: „Bester Bremsreifen auf trockner und nasser Piste ist mit deutlichem Abstand der Sommerreifen.“ Auf griffigem Asphalt werde die weiche, lamellierte Lauffläche der Winterreifen zum Handicap, besonders bei Temperaturen über dem Gefrierpunkt. Das Profil von Winterreifen sei so designt, dass es sich mit Schnee und Eis verzahnt. Eine bessere Bodenhaftung gibt es so nur auf verschneiten Straßen. Experten wie Franz Nowakowski vom Deutschen Kraftfahrzeug-Überwachungsverein (Dekra) raten zu Winterreifen erst ab „Temperaturen um den Gefrierpunkt und darunter“.

Mit solchen Meinungen konfrontiert, wiegelt dann auch Werner Sauerhöfer vom DVR ab. Er wolle die umstrittene „7-Grad-Regel auch nicht wortwörtlich interpretiert wissen“, sagt er. Sie soll den Verbrauchern lediglich eine Orientierung geben. Selbst Lars Döhmann vom Reifenhersteller Continental gibt zu: Mit der Faustregel „haben es sich die Reifenhersteller ein wenig einfach gemacht“.

Reifen seien nicht gleich Reifen. Bei Autos, die schneller als 240 km/h fahren, hätten die Räder zum Beispiel eine besondere Gummimischung. Diese verhärte viel früher als die von einem Durchschnittswagen. Zudem spiele die Qualität der Reifen eine wichtige Rolle, sagt der Continental-Mann.

Der ADAC empfiehlt diese Faustregel: „Winterreifen von O bis O“, also von Oktober bis Ostern. Wer täglich auf sein Auto angewiesen ist und auf gelegentlich vereiste Straße vorbereitet sein will, sollte Winterreifen aufziehen. TARIK AHMIA