Ring frei für die Ladys

Auch die USA sind reif für eine Frau an der Spitze. Unsicher ist, ob sich Hillary Clinton und Condoleezza Rice 2008 tatsächlich um die Nachfolge George W. Bushs bewerben. Sicher ist: Die PR-Schlacht hat schon längst begonnen

AUS WASHINGTONADRIENNE WOLTERSDORF

Deutschland hat jetzt eine. Großbritannien, Island und Irland hatten ganz lange eine. Auch die Polen, Türken, Bangladeschis und die Ukrainer wissen, wie so eine aussieht, ja selbst die Schweizer haben sie schon erlebt: eine Frau an der Macht. Die Amerikaner schauen sich das lieber erst mal im Fernsehen an. Dort steht jetzt jeden Dienstagabend ab 21 Uhr eine große elegante Frau mit Businessfrisur und erdbeerroten Lippen: „Madam President“ in ihrem Oval Office. Es ist die unerschrockene Präsidentin Mackenzie Allen, von ihren Vertrauten „Mac“ genannt. Ihr schaut Amerika begeistert zu, wie sie aufwieglerische Kabinettsmitglieder und trotzige Kinder in Schach hält, dazu auswärtige Politik, politische Feinde, Terrorismus und einen vom Erfolg seiner Frau leicht traumatisierten Ehemann, genannt „the first gentleman“.

Kinder, Küche, Kabinett

In „Commander in Chief“ spielt die Oscar-gekürte Schauspielerin Geena Davis, berühmt durch „Thelma und Louise“, zunächst die Vizepräsidentin Mackenzie Allen. Nach dem plötzlichen Tod des Präsidenten wird die Mutter dreier Kinder ins Amt des Führers der freien Welt katapultiert. Als erste Frau gebietet sie über eine 2-Millionen-Armee, das größte Nukleararsenal der Welt und jettet im Air-Force-One-Jumbo umher.

„Commander in Chief“, produziert von Touchstone Television und beim Disney-Network ABC ausgestrahlt, hat eine Zuschauerquote von beeindruckenden 16 Prozent. Woche für Woche kombiniert der Oval-Office-Stoff geopolitische Plots mit alltäglichen Familienkonflikten – und rund 16 Millionen AmerikanerInnen erleben, wie eine Frau es „schafft“. Am Ende jeder Stundensendung hat sich Mac durchgesetzt. Frieden herrscht in der Welt und im präsidialen Wohnzimmer. Und die Power-Anzüge sitzen selbst nach Katastropheneinsätzen noch so makellos, dass der Stoff nicht nur bei Ladysnights Gesprächsthema ist – vielmehr hat Mrs President, die seit Ende September in den USA regiert, selbst in der realen Welt der Politik heftige Debatten provoziert.

Konservative sehen in der Serie eine Verschwörung des liberalen Hollywood gegen das republikanische Amerika. Eine zeitlich perfekt platzierte Kampagne für Hillary Rodham Clinton. Den Beginn des Wahlkampfs um das Präsidentenamt im Jahr 2008. Dass ein früherer Mitarbeiter von Hillary zum Autorenteam der Serie gehört und Geena Davis Geld für den Wahlkampf des demokratischen Kandidaten John Kerry spendete, ist vielen Rechten Beweis genug für ihre These. „Natürlich kann man behaupten, dass die Serie die Amerikaner vorbereitet und ihnen vor Augen führt, wie es aussehen könnte, eine Frau als Präsidentin zu haben“, sagt Garth Jowett, Direktor der University of Houston School of Communication. „Aber das würde doch für alle Kandidatinnen gelten, nicht nur für Hillary.“

Politikerinnen jubeln, dass die Popkultur zum ersten Mal zeigt: eine Frau kann es ins mächtigste Amt schaffen. Frei nach dem Motto „wahr ist, was gezeigt wird“ lädt das White House Project, eine parteilose Organisation zur Beförderung von Frauen in die Politik, landesweit zu House-Partys ein, bei denen die Serie gezeigt wird. Blogschreiber und Talkshow-Moderatorinnen debattieren erhitzt darüber, ob die Vereinigten Staaten, eine Nation mit minimaler weiblicher Präsenz in der Politik, bereit für eine Frau als Präsidentin sind. Und wenn ja, für welche?

Neuesten Umfragen gemäß könnten sich 79 Prozent der AmerikanerInnen immerhin vorstellen, von einer Frau regiert zu werden. „Es ist eine Schande, dass wir noch nie eine Präsidentin hatten“, sagte Geena Davis selbst kürzlich in einem CNN-Interview. „Hillary wäre gut“, sagte sie auf Nachfrage der Interviewerin, „es gibt aber auch noch Condoleezza Rice.“

Hillary vs. Condi. Das wäre der Blockbuster-Wahlkampf schlechthin. Amerikas Powerfrauen im Ring, mit Potenzial zum Zickenkrieg? Ein Duell, das trotz hoher Unwahrscheinlichkeit seit Monaten die politischen Spekulationen ins Kraut schießen lässt. Allein die Suchmaschine Google findet dazu in einer Schnellsuche an die 700.000 Einträge. Eine im Oktober veröffentlichte Umfrage des Marist College Institute for Public Opinion sieht die ehemalige First Lady mit 50 Prozent vor Condoleezza Rice mit 41 Prozent. Verschweigt aber nicht, dass Rudy Giuliani, „Amerikas Bürgermeister“ und Ex-Citychef von New York, sowie der beinharte Law-and-Order-Senator McCain noch bessere Werte erhalten.

Die Lesbe und die Dealerin

Einen Vorgeschmack, was die Gerüchteküche aus Hillary vs. Condi machen wird, ist bereits in Washington zu haben. So verbreiten republikanische Propagandisten, dass Hillary eigentlich eine linke Lesbe sei, die mal mit Drogen gehandelt habe. Tochter Chelsea soll während einer ehelichen Vergewaltigung gezeugt worden sein. Demokratische Schwätzer hingegen wissen, dass Condi mal was mit George W. Bush hatte oder eine Lesbe sei oder beides.

Nur unwesentlich sachlicher nähert sich das im Oktober erschienene Buch „Condi vs. Hillary: The next great presidential race“ dem Duo. Geschrieben vom ehemaligen Clinton-Berater Dick Morris und seiner Frau Eileen McGann, vertritt es die These: Nur Rice, als Verkörperung des Guten, kann Hillary, das personifizierte Böse, stoppen. Würde Hillary gewählt, so Morris, der mit den Clintons zerstritten ist, würde „sie das wiedererfinden, was man Geheimpolizei nennt, um all diejenigen beseitigen zu lassen, die ihr im Wege stehen“. Morris meint, dass die unverheiratete Rice ihre Errungenschaften nicht so künstlich hervorheben muss wie Rivalin Hillary, da sie ihre Karriere keinem politisch mächtigen Ehemann verdanke. Clinton hat sich bislang zu dem Buch ihres einstigen politischen Gurus, der durch eine Affäre mit einer Prostituierten zu Fall kam, nicht geäußert. „Die Senatorin konzentriert sich darauf, die beste Senatorin für die Menschen im Staate New York zu sein“, wiederholt ihr Sprecher dieser Tage mantraartig.

Hillary Clinton, die einzige First Lady, die jemals in ein öffentliches politisches Amt gewählt wurde, schweigt sich über 2008 beharrlich aus. Das facht genderbewusste JournalistInnen erst recht an, ihre Chancen zu erörtern. Allen voran TV-Reporterin Susan Estrich mit ihrem ebenfalls im Oktober veröffentlichten Buch „The case for Hillary“, in dem sie Clinton nicht nur als Retterin der Demokraten feiert, sondern auch gleich aller amerikanischen Frauen. Estrich, die selbst die erste Frau der USA war, die einen Wahlkampf leitete – 1988 für Michael Dukakis –, kennt sich aus mit weiblichem Trendsettertum. „Wenn Präsident Hillary gewählt ist, wird sich das Ungleichgewicht zwischen den Geschlechtern verändern“, frohlockt die Medienexpertin. Clintons Kandidatur hält sie für aussichtsreich, mit sicherer Unterstützung aus den Reihen der Gewerkschaften, der organisierten Frauen und der ethnischen Minderheiten.

Dass umgekehrt die Republikaner Rice nominieren könnten, hält Estrich für „Wunschdenken“ – und verweist auf den Aufschrei unter den Konservativen, den die Nominierung von Bushs Kandidatin für den Obersten Gerichtshof, Harriet Miers, vor einigen Wochen provozierte. „Da ist eine Bush-Vertraute, Abtreibungsgegnerin, und die Senatoren halten sie für nicht konservativ genug“, sagt Estrich in einem Interview mit der Wochenzeitung Village Voice. „Die republikanische Basis ist aber sehr viel konservativer als diese Senatoren“, meint Estrich und erzählt von ihrem Einsatz als ABC-Reporterin beim Parteitag der Republikaner Anfang der 90er-Jahre, von dem sie schwanger berichtete. Mehrmals sei sie beschimpft worden: „Sie sind eine Kindermörderin.“ Und nun eine Nominierung für Condi Rice, eine schwarze Frau, deren Haltung zur Abtreibung als „mild liberal“ gilt, die für das Gleichstellungsgesetz „affirmative action“ (gegen die Benachteiligung von ethnischen Minderheiten) ist? – Niemals, meint Estrich, die seit 26 Jahren politisch aktiv ist.

Rice selbst, die noch nie in ein politisches Amt gewählt wurde, antwortet, nach ihrer möglichen Kandidatur gefragt, stets, sie habe kein Interesse – was manche für ein schwaches Dementi halten. Die New York Times befand kürzlich, dass sich im Auftreten der Außenministerin etwas geändert habe: Plötzlich rede die ansonsten verschlossene Rice offen von sich – ja präsentiere sich jovial beim Football-Spiel ihrer heimatlichen University of Alabama, den britischen Außenminister Jack Straw als Dekoration im Schlepptau.

Die politischen Vorbilder

Ob Clinton und Rice nun gegeneinander antreten oder nicht, FrauenaktivistInnen wie Estrich nutzen die Debatte, um ihre Geschlechtsgenossinnen zu ermuntern, sich überhaupt politisch zu engagieren. Auch für Engagement jenseits der politischen Lager ist „Commander in Chief“ ein Modell: Präsidentin Mackenzie Allen ist unabhängig, parteilos, schminkt sich wie Hillary Clinton und trägt ihre dunklen Haare im Power-flip nach außen gedreht wie Condoleezza Rice.