Polnischer Moralhorror

Homosexuell in Polen? Besser nicht öffentlich, das wäre riskant. Wird Kanzlerin Merkel in Warschau protestieren?

Am 2. Dezember wird Angela Merkel zum Antrittsbesuch nach Warschau reisen, eilends will sie dem Nachbarn die Aufwartung machen.

Allerdings sollte die Regierungschefin auch Kritisches ansprechen: Menschenrechtsverstöße in Polen. Dass, beispielsweise, führende Vertreter der dort neu gewählten nationalistisch-ordokatholischen Regierung Demonstrationen von Schwulen und Lesben verboten haben oder deren friedliche Durchführung sabotierten.

Aktuelles Beispiel ist ein Vorfall in Posen, wo Bürgermeister Ryszard Grobelny, Mitglied der Regierungspartei PIS, einen politischen Umzug für „Toleranz und Gleichberechtigung“ verbot, nachdem ihm bekannt wurde, dass auch Schwule und Lesben teilnehmen wollten.

Zwar fand die Demo – am 16. November, seit 1995 der „Internationale Tag für Toleranz“ – doch statt. Allein: Die Polizei mochte die Demonstration nicht schützen. Am Ende, nachdem Rechtsradikale und anderes Gesindel, polizeilich kaum behelligt, die Umzugsteilnehmer angriffen, mussten 100 Festnahmen registriert werden: überwiegend aus den Reihen der Toleranzmarschierer.

All dies würde eine Diskussion mit dem polnischen Ministerpräsidenten Kazimierz Marcinkiewicz lohnen: wenn Merkel von der Notwendigkeit der Besorgnis überzeugt ist – und sich traut. Bürgerrechtsorganisationen rufen heute zu einer Kundgebung vor der polnischen Botschaft auf, Lassenstraße 19–21, Berlin-Grunewald. Heterosexuelle sind willkommen. JAF